Zwischen Neckar und Alb
Verletzbare Körper in den Uffizien

Malerei In den weltberühmten Uffizien in Florenz stellt der Nürtinger Künstler Tesfaye Urgessa seine großformatigen Bilder bei Direktor Eike Schmidt aus. Kunst, die etwas bewegen will. Von Elisabeth Maier

Auf die Spuren des Künstlers Caravaggio begibt sich Tesfaye Urgessa. Ab Montag, 17. Dezember, stellt der Nürtinger Künstler, der aus Äthiopien stammt, in den Uffizien in Florenz aus. Dort sind auch Werke des Meisters des Frühbarocks aus dem 16. Jahrhundert zu sehen, der Körper mit Licht und Schatten in Szene setzt. Das habe ihn inspiriert, aber er gehe eigene Wege. Der 34-jährige Absolvent der Stuttgarter Akademie für Bildende Kunst schaffte den Sprung ins weltberühmte Ausstellungshaus. „Drei Mal habe ich Florenz besucht und mir die Räume angesehen“, erzählt Urgessa, der mit Frau Nina Raber-Urgessa und den drei Kindern in Nürtingen lebt. Fast ein Jahr lang hat er mithilfe seiner Frau die große Ausstellung im Palazzo Pitti des weltberühmten Museums vorbereitet, die um 11 Uhr eröffnet wird. Wie die Räume bestückt werden sollen, hat er im Modell festgehalten. Die meisten der großformatigen Bilder hat er eigens für Florenz gemalt. Erstmals wagte sich Urgessa an Leinwände mit bis zu 2,50 Metern Höhe. „Diese Größe liegt mir, denn so darf ich mehr Zeit mit den Bildern verbringen.“

Mit Direktor Eike Schmidt sei das „ein Austausch auf Augenhöhe“, findet der Maler. 2015 wurde Schmidt bei der Ausstellung deutscher Kunst-Stipendiaten in Bonn auf den Mann aufmerksam, der in seiner Heimatstadt Addis Abeba technisches Zeichnen und Kunsterziehung studiert hat und dann zum Studium der Malerei nach Stuttgart kam. „Der Kontakt riss nicht mehr ab“, erzählt Urgessa. Nun stellt er in den Uffizien aus und darf - wie alle anderen Künstler des Hauses - ein Selbstporträt in Florenz lassen. Eine schöne Tradition, wie er findet.

Fotos von den Arbeitsschritten

Der deutsche Chef der Uffizien, der im zweiten Halbjahr 2019 die Leitung des Kunsthistorischen Museums in Wien übernimmt, besuchte auch Urgessas Ausstellung in Wendlingen. Der Galerievereins-Vorsitzende Rolf Körber schwärmt vom unkomplizierten Austausch mit dem prominenten Kunsthistoriker. „Er hat sich wirklich mit meinem Werk beschäftigt“, lobt auch Urgessa den viel beschäftigten Chef des bedeutenden Hauses. Neugierig sei Schmidt gewesen, wie seine figürlichen Bilder, die durch Tiefenschichten bestechen, denn entstehen. Das hat Urgessa mit Fotos Schritt für Schritt dokumentiert.

Schmidt eröffnet nicht nur die Ausstellung des innovativen Malers, der an der Kunstschule in Nürtingen unterrichtet. Der Uffizien-Chef hat die 26 Gäste Urgessas am Rande der Vernissage zu einer Führung durch die Sammlung eingeladen. Unter ihnen ist auch der ehrenamtliche Wendlinger Galerieleiter Körber, der stolz ist, „dass wir diesen vielversprechenden Künstler auch bei uns zeigen durften“. Ein Filmteam des SWR-Fernsehens begleitet den Nürtinger Künstler.

Über Urgessas Erfolg freut sich sein Stuttgarter Galerist und Förderer Marko Schacher. Der Leiter der Galerie Raum für Kunst in Stuttgart lernte Urgessa 2011 an der Hochschule kennen. Dessen Bild „Holy Criminals“ (deutsch: Heilige Kriminelle) habe ihm „den Glauben an die Zukunft der figürlichen Malerei zurückgegeben“. Es zeigt geschundene Menschen in einer Polizeistation. Urgessa habe ihm dann erzählt, wie er selbst von der Stuttgarter Polizei schikaniert wurde - wegen seiner Hautfarbe. „Wenn ich solche Ohnmacht empfinde, spüre ich den Drang, zu malen. Dann habe ich das Gefühl, etwas bewegen zu können.“ So bringt Urgessa seine Motivation auf den Punkt. Obwohl er als privilegierter Kunststudent nach Deutschland kam, beschäftigt ihn die Flüchtlingsproblematik. Die kraftvollen, aber auch verletzbaren Körper, die er malt, kämpfen um ihren Platz in einer Welt, die von Krisen und Kriegen geschüttelt ist. Dabei beherrscht er auch leichte, unbeschwertere Töne. Im Bild „Ich halte dich fest halten 2“ hat er Kritzeleien seiner sechsjährigen Tochter verarbeitet. „Unser erstes gemeinsames Projekt“, verrät der stolze Vater.