Anne Gudat ist deutsch-spanische Partnervermittlerin. Sie matcht aber nicht Singles aus den beiden Ländern auf der Suche nach der großen Liebe, sondern Erzieherinnen beziehungsweise Erzieher aus Spaniern mit Kitas aus Baden-Württemberg. Mit von der Partie in dieser Runde: die Stadt Weilheim.
Sechs junge Fachkräfte aus Spanien sollen ab Oktober die Kindertagesstätten der Zähringerstadt bereichern. „Die Kandidatinnen und Kandidaten haben nach Ostern mit einem Deutsch-Sprachkurs in Spanien begonnen“, erklärt Anne Gudat. Die 32-Jährige arbeitet für den Personaldienstleister Apontis und ist für das Projekt „Erzieher für Baden-Württemberg“ des Bildungswerks der Baden-Württembergischen Wirtschaft in Kooperation mit der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit (ZAV) zuständig, das heißt, sie wählt geeignete Bewerberinnen und Bewerber aus Spanien aus und vermittelt sie an die deutschen Kitas. Von großen Vorteil ist, dass Anne Gudat selbst jahrelang in Spanien gelebt hat, mit einem Spanier verheiratet ist und die Sprache fließend spricht. Und nicht nur das: Ihre beiden Kinder sind zunächst in Spanien in den Kindergarten gegangen und später dann in Deutschland. „Ich kenne also beide Systeme“, so Gudat.
Insgesamt sechs Städte und Gemeinden aus Baden-Württemberg haben sich in dieser Runde um pädagogische Fachkräfte aus Spanien beworben: neben Weilheim auch Ludwigsburg, Sindelfingen, Weissach, Nufringen und Oberkochen. Gestartet ist das Projekt Anfang des Jahres mit der Rekrutierung der Kandidatinnen und Kandidaten in Spanien. „Wir hatten über 90 Vorstellungsgespräche“, berichtet Anne Gudat. Nach einer Vorauswahl haben nun 32 vielversprechende Fachkräfte mit einem Intensiv-Deutschkurs in Spanien begonnen. „Drei Monate haben sie Präsenzunterricht in Barcelona, danach geht es online weiter“, so Gudat. Finanziert wird der Sprachkurs ebenso wie eine Umzugshilfe von den Programmen „TMS - Targeted Mobility Schemes“ aus Deutschland und „Garantía Juvenil“ aus Spanien.
Wer von den Kandidatinnen und Kandidaten genau nach Weilheim kommt, steht noch nicht fest. Nur so viel ist klar: Alle Bewerberinnen und Bewerber sind zwischen 24 und 30 Jahre alt und haben eine entsprechende Qualifikation. „Sie sind also ausgebildete Erzieher oder auch Grundschullehrer“, sagt Anne Gudat.
Die Jugendarbeitslosigkeit ist hoch
Aber warum wollen die jungen Spanier überhaupt in Deutschland arbeiten? „In Spanien ist die Jugendarbeitslosigkeit hoch“, weiß Anne Gudat. „Junge Fachkräfte bekommen oft gar nicht die Chance, in ihrem Beruf zu arbeiten.“ Das gilt auch für den pädagogischen Bereich. Statt einer Festanstellung in der Vorschule, die Kinder in Spanien im Alter zwischen drei und sechs Jahren besuchen, bekommen viele nur Jobs in Sommercamps oder andere Gelegenheitsarbeiten.
Ganz anders ist das in Deutschland. „Bei uns in Weilheim geht es ja im Moment noch“, sagt Hauptamtsleiterin Daniela Braun. Vielerorts ringen die Kita-Träger schon jetzt um Personal. Dazu kommt, dass die Stadt Weilheim in den kommenden Monaten und Jahren aufgrund der immensen Nachfrage jede Menge weitere Kita-Plätze schafft – und künftig noch die Ganztagsbetreuung an Grundschulen stemmen muss. „Da wollen wir vorbereitet sein“, sagt Daniela Braun.
Riesige Unterschiede gibt es übrigens auch beim Betreuungsschlüssel. „In Baden-Württemberg lautet die Empfehlung: eine Vollzeitkraft auf 7,5 Kinder“, weiß Ulrike Schmid, die im Weilheimer Rathaus für den Bereich Kitas und Schulen zuständig ist. „In Spanien betreut ein Lehrer 20 Kinder zwischen drei und sechs Jahren“, so Anne Gudat. Diskrepanzen gibt es übrigens sogar innerhalb Deutschlands: In Mecklenburg-Vorpommern kommen auf eine Erzieherin oft 15 Kinder.
Online-Vorstellungsgespräche im Juni
Je näher der Umzug nach Deutschland rückt, desto mehr steigt die Spannung bei allen Beteiligten. Die große Frage lautet: „Wer passt zu wem?“ Damit das „Matching“ gelingt, gibt es im Juni Online-Vorstellungsgespräche gemeinsam mit den Kita-Leitungen. Im Juli kommen die jungen Spanierinnen und Spanier nach Deutschland, um die Kitas kennenzulernen, danach wird entschieden wer wohin kommt. Im Oktober beginnen sie dann ihren neun bis zwölf Monate dauernden Anpassungslehrgang, an dessen Ende die Anerkennung als staatliche Erzieherin oder staatlicher Erzieher in Deutschland steht. Parallel besuchen sie einen weiteren, vom Bildungswerk organisierten Sprachkurs – mit dem Ziel, das Level B 2 zu erlangen, also ein gehobenes Sprachniveau.
Was aber noch viel wichtiger ist: „Eine gute Integration“, weiß Anne Gudat. Denn: „Das größte Risiko ist Heimweh.“ Vergangene Programme haben gezeigt, dass 18 Prozent der Kandidatinnen und Kandidaten zurück nach Spanien gehen. 82 Prozent dagegen bleiben in Deutschland. „Um das Heimweh-Risiko möglichst gering zu halten, bieten wir vom Bildungswerk ein Mentorenprogramm an“, erläutert Anne Gudat. Die Mentoren helfen den Neuankömmlingen, ihre Stadt kennenzulernen und eine Wohnung oder WG zu finden. Sie erledigen mit ihnen Behördengänge, unterstützen sie beim Einrichten von Bankkonten, begleiten sie zum Arzt und klären sie über die Mülltrennung auf. Und sie stehen auch über die Anfangsphase hinaus als Ansprechpartner zur Verfügung.
Ideale Ansprechpartnerin in Weilheim ist übrigens auch Valentina Paletta, Leiterin der Kita Lerchenstraße in Weilheim. Sie ist Halbspanierin, spricht die Muttersprache der Neuankömmlinge also perfekt und freut sich schon sehr auf die Unterstützung aus dem Ausland. „Das passt auch gut zu dem, was wir verkörpern“, sagt sie. „Wir sind ein internationales Team und können uns gut vorstellen, einen neuen Schwerpunkt in Richtung interkulturelle Arbeit zu setzen.“