Donnerstag, 12. März. Dieser Tag wird Lisa Zimmermann noch eine Weile im Gedächtnis bleiben. „Da wurde in Irland verkündet, dass von 18 Uhr an alle Schulen und Universitäten geschlossen bleiben“, erzählt die 29-jährige Lindorferin, die seit sechs Jahren in Irland lebt. Zum einen ist sie selbst davon betroffen gewesen. Am privaten Griffith College in Dublin unterrichtet sie Studenten an der Design-Fakultät. „Meine Nachmittags-Kurse habe ich noch gehalten, die Abend-Seminare sind schon ausgefallen.“ Viel mehr noch aber hat sie aber der plötzliche Stimmungsumschwung im Land erschreckt: „Die Leute sind regelrecht durchgedreht“, erinnert sie sich. Ein Sturm auf die Supermärkte begann, jeder deckte sich mit Dingen ein, die er für die kommenden Wochen brauchen konnte - oder auch nicht.
Lisa Zimmermann, die mit ihrem Hund Milo in einer Vierer-WG etwas außerhalb von Dublin wohnt, war an dem Tag erst abends einkaufen gegangen und stand vor gähnend leeren Regalen. „Nicht nur Nudeln und Konserven, sondern auch frische Lebensmittel waren ausverkauft“, erzählt sie. Von der Kassiererin erfuhr sie, dass der Markt für ein paar Stunden geschlossen gewesen war, weil es Schlägereien gegeben hatte. „Seither steht immer jemand vor dem Laden und lässt nur eine begrenzte Anzahl von Kunden hinein.“ Draußen zeigen Bodenmarkierungen, wo und mit welchem Abstand Wartende sich vorm Eingang anstellen dürfen.
Auch wenn die Iren dazu angehalten sind, drinnen zu bleiben - so weitgehend wie in Deutschland sind die Einschränkungen nicht. Zumindest noch nicht. „Es dürfen sich Gruppen von bis zu vier Personen treffen“, sagt Lisa Zimmermann. „Wenn ich mit Milo im Park Gassi gehe, ist da immer jede Menge los. Man muss sich schon anstrengen, um den Sicherheitsabstand einhalten zu können.“ Kontrolliert werden die Vorschriften derzeit nicht.
Düster stellt sich für viele Menschen in Irland die berufliche und finanzielle Situation dar. „Sehr viele hier sind aufgrund der Corona-Krise arbeitslos geworden“, berichtet Lisa Zimmermann. Zwei ihrer drei Mitbewohner haben schon keinen Job mehr. In der WG eines Bekannten im Zentrum von Dublin hat es sogar alle drei Bewohner getroffen: „Die Stimmung ist furchtbar“, sagt Lisa Zimmermann. „Keiner weiß, wie es weitergehen soll.“ Zwar gibt es Arbeitslosengeld. „Mit rund 200 Euro pro Woche kann man davon aber meist gerade mal die Miete zahlen“, so die Kirchheimerin. Ein Problem: „Das Konzept der Kurzarbeit gibt es in Irland nicht.“ Zwar habe der Staat die Unternehmen angehalten, ihren Mitarbeitern noch zwei oder drei Wochen einen Lohn in Höhe des Arbeitslosengelds weiterzubezahlen. Den Betrag würde der Staat später zurückerstatten. „Da aber schon absehbar ist, dass das Ganze sowieso länger dauert, werden viele Leute gleich entlassen.“
Dagegen hat Lisa Zimmermann Glück gehabt: Sie kann weiterarbeiten. Ihr College hat - im Gegensatz zu vielen staatlichen Unis - den Unterricht schnell und unkompliziert auf Online umgestellt. „In Fächern, in denen auch Diskussionen erforderlich sind, unterrichte ich jetzt per Videokonferenz“, erzählt sie. Die Seminare werden aufgezeichnet und können von den Studenten auch nachträglich abgerufen werden. „Manche sind in ihre Heimatländer zurückgekehrt und haben wegen der Zeitverschiebung Probleme, live mitzumachen“, sagt sie. Geht es allerdings um praktische Dinge wie den Umgang mit Software, wird es schon schwieriger. Dann sind unter anderem Online-Individualschulungen gefragt.
Dass sie - trotz Homeoffice - gesund durch die Corona-Epidemie kommt, bezweifelt die Kirchheimerin. „Eine meiner Mitbewohnerinnen arbeitet in der Radiologie eines Krankenhauses. Deshalb rechnen wir damit, dass wir uns alle in der WG anstecken.“ Ob das irische Gesundheitssystem auch einen größeren Ausbruch meistern könnte, mag sie nicht beurteilen. Wirklich Angst macht der Kirchheimerin ohnehin etwas anderes: die irische Wirtschaft, die sich nach der Finanzkrise 2008 gerade erst wieder berappelt hat und für die es nun erneut richtig schwarz aussieht.