Zwischen Neckar und Alb
Vier Jahre und neun Monate Haft für den Angeklagten

Justiz Ein 36-Jähriger hat die kleine Schwester seiner Ex-Freundin mehrfach sexuell missbraucht.

Köngen. Am Freitag ging mit einem langen Verhandlungstag der Prozess gegen einen 36-Jährigen zu Ende. Der Mann war angeklagt, einem zur Tatzeit zwischen sieben und elf Jahre alten Mädchen aus Köngen, der jüngeren Schwester seiner damaligen Freundin, schweren sexuellen Missbrauch, meist unter Vorgabe anatomischer Untersuchungen, angetan zu haben. Das Gericht sah den Vorwurf am Ende als erwiesen an und verurteilte den Mann zu vier Jahren und neun Monaten Haft. Der Anwalt des Angeklagten, Marc Reschke, kündigte an, Revision einzulegen.

Vor der Verhandlung war dem Angeklagten ein Verständigungsvorschlag gemacht worden: Räumt er die Vorwürfe weitgehend ein, kann er mit einem Urteil von etwa vier Jahren rechnen, sonst wären es ungefähr fünf Jahre. Dieser Deal wurde abgelehnt. Der Verteidiger plädierte auf Freispruch. Doch zunächst stellte er den Antrag, die Schuldfähigkeit des Angeklagten zu überprüfen. Der Mann habe wegen seines Fetischs für Anatomie, den er nicht mit seiner Freundin ausleben konnte, unter erheblichem Leidensdruck und damit verbunden unter verringerter Steuerungsfähigkeit gelitten.

Der Erstellung des Gutachtens wurde zugestimmt, die Verhandlung für drei Stunden unterbrochen. Staatsanwalt Jan Savas schob den Antrag hinterher, den Angeklagten in einer geschlossenen Einrichtung unterzubringen, falls sich erweisen sollte, dass er bisweilen nicht steuerungsfähig ist.

Der psychiatrische Sachverständige konnte jedoch nicht feststellen, dass es dafür Anzeichen gebe. Der Angeklagte habe immer akzeptiert, wenn seine erwachsenen Partnerinnen die „Doktorspiele“ abgelehnt hätten. Auch lebe er den Fetisch nicht mehr aus. Er habe auch keine Pädophilie. Vielmehr sei er bei seinen Taten sehr planvoll vorgegangen.

Staatsanwalt Jan Savas legte in seinem Plädoyer dar, dass es keine Zweifel an den Aussagen der Opferzeugin geben könne. Es gebe 137 Taten des schweren sexuellen Missbrauchs und zwei Taten des einfachen sexuellen Missbrauchs. Für den Mann spreche, dass er keine Gewalt angewandt und keinen Geschlechtsverkehr ausgeführt habe und nicht vorbestraft ist. Gegen ihn sprechen die schweren seelischen Folgen, unter denen die junge Frau zu leiden habe. Savas forderte fünf Jahre und vier Monate. Die Nebenklagevertreterin schloss sich der Forderung des Staatsanwaltes an.

Anwalt Reschke plädierte auf Freispruch im Zweifel für den Angeklagten. Sein Mandant sei für den schlechten seelischen Zustand der Frau nicht verantwortlich. Es gebe außer ihrer Aussage keinen objektiven Beweis und keine Zeugen. Außerdem habe die Betroffene in verschiedenen Fällen die Unwahrheit gesagt. Wenn die Anzahl der Taten zweifelhaft sei, dann vielleicht auch die Taten an sich? Die speziellen Neigungen des Mannes hätte sie aus Erzählungen ihrer Schwester kennen können.

Richter Peterke verkündete gegen 17.45 Uhr das Urteil: vier Jahre und neun Monate für 137 Fälle des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und zwei Fälle des sexuellen Missbrauchs zwischen März 2007 und Dezember 2010. „Wir sind überzeugt, dass es so war, wie die Zeugin es schildert.“ Das Wissen um die Vorlieben des Angeklagten vertrage sich nicht damit, dass sich die junge Frau alles nur eingeredet hat: „Das Trauma der Opferzeugin trägt Ihren Namen“, sagte der Richter zum Angeklagten. Barbara Gosson