Ich bin seit vielen Jahren Lehrerin, aber so was habe ich noch nie erlebt“, sagt Britta Ibert, Klassenlehrerin der 9b an der Nürtinger Mörikeschule. Es war das erste Mal, dass sie in den Reihen ihrer Schüler eine Schwangere hatte. Begeistert erzählt sie von der 18-jährigen Sana Jalali, die trotz immer größer werdendem Bauch täglich den Weg in die Schule antrat.
Jalali kam mit ihrer Familie 2016 aus Afghanistan nach Deutschland. Gemeinsam mit ihren Eltern und ihren zwei Brüdern sowie drei Schwestern zog sie nach Nürtingen. Zunächst besuchte sie dort die Vorbereitungsklassen in der Mörikeschule. Sie lernte schnell, besuchte in der Hauptschule zunächst eine Vorbereitungsklasse, wurde dann aber vollintegriert. Doch als gerade die Abschlussprüfungen am Horizont erschienen, wurde Jalali schwanger.
Großer Durchhaltewillen
Auch wenn es ihr hin und wieder nicht gut ging, kam sie weiterhin zum Unterricht. „Wir haben sie während der Corona-Phase in die hinterste Reihe gesetzt, um sie so gut wie möglich zu schützen“, sagt Ibert. Klar sei es schwierig gewesen, erzählt Jalali. Doch sie lerne besser mit dem Buch, statt im Online-Unterricht. Sogar als sie und ihre Familie während der Vorbereitungsphase nach Ohmden zogen, nahm sie regelmäßig die lange Busfahrt in die Mörikeschule auf sich.
Ibert war fasziniert vom Durchhaltewillen ihrer Schülerin und feuerte sie geradezu an: „Ich habe ihr gesagt, wenn sie die Vorbereitung und die Prüfungen schwanger schafft, ist das eine ganz besondere Leistung.“ Schwanger sollte sie nur eines davon schaffen. Am 10. Mai brachte Jalali eine gesunde Tochter zur Welt. Am 15. Mai stand die Deutschprüfung an.
Sich in so einer kurzen Zeit von einer kräftezehrenden Geburt aufzurappeln, schien unmöglich. Nicht jedoch für Jalali. Den Termin zu verpassen und stattdessen in die Wiederholungsklausuren zu gehen, war für sie undenkbar. „Ich wollte die Prüfungen einfach schnell hinter mich bringen, um Zeit mit meiner Tochter zu verbringen“, sagt sie. Außerdem sei es für sie viel einfacher, mit all ihren Klassenkameraden in einem Zimmer die Klausuren zu schreiben. „Ganz alleine nachholen, da wird man doch total nervös“, sagt sie.
Ausbildung soll folgen
Nun hofft sie, dass es für ein Bestehen gereicht hat. Ihre Klassenlehrerin drückt ihr jedenfalls die Daumen, wie sie sagt. Ausruhen und einfach nur Mama sein, käme für Jalali dann trotzdem erstmal nicht infrage. Die 18-Jährige möchte eine Ausbildung zur zahnmedizinischen Fachangestellten anfangen. „Meine Mama könnte dann auf die Kleine aufpassen während ich arbeite“, sagt sie. Schon im September soll es losgehen. Einen Ausbildungsplatz hat sie bisher allerdings noch nicht gefunden.