Neuffen. 1791 hatte Johanna Christina Georgi den ersten Eintrag verfasst. Ein Backrezept für „Citronen Dorte“, wie man die süße Köstlichkeit damals schrieb. Nach und nach fügte sie immer neue Koch- und Backanweisungen hinzu. Als ihre Schwester Charlotte 1806 starb, heiratete sie ihren Schwager, den Neuffener Dekan Immanuel David Mauchart, der damals 42 Jahre alt war.
Insgesamt 143 Rezepte (das letzte war „Apfel Gelee“) umfasst ihr privates Kochbuch, das Axel Vetter auf Ebay entdeckte: „Ich sammle Neuffeneriana und Kochbücher und war gleich begeistert davon“, erzählt er. Klare Sache, dass er sich dieses kulinarische Zeugnis der Heimatgeschichte bei einem Nachfahren der Familie Mauchart im Remstal sicherte.
Die Tochter des Backnanger Dekans Heinrich August Georgi schrieb immer wieder auf, was damals von Mund zu Mund an Köstlichkeiten weitergegeben wurde. Doch der Deckel der Sammlung war abgerissen und der Lederrücken nur noch als Fragment erhalten. Zudem hatten Würmer den ersten acht Seiten zugesetzt. Daher brachte Vetter das Buch erst einmal zu dem Nürtinger Restaurator Hans Peter Bühler. Der schaffte es, alle noch erhaltenen Teile wieder zu verwenden.
Was begeistert Vetter an den uralten Zeilen in Kurrentschrift? Er sei ganz verblüfft gewesen, dass zur Gründerzeit des Königreichs Württembergs schon Artischocken und Zitronen verarbeitet worden seien. Vielleicht lag es ja daran, dass der erste, der sich nicht nur mit dem Herzogs-, sondern gar mit dem Königstitel schmücken konnte, 1806 quasi von Napoleons Gnaden inthronisiert wurde. Färbte da etwa die französische Kochkunst ab? Die Leibesfülle Friedrichs I. ist bis heute legendär.
Eine Artischocken-Variante füllte Johanna Christina mit einer Mixtur aus Butter und Bries, Pilzen und Krebsschwänzen. Zu den Dingen, die Vetter wunderten, gehört ohnehin, wie viele Rezepte mit Flusskrebsen in dem Büchlein enthalten sind: „Das war damals wohl ein Alltagsgericht. Die Flüsse und Bäche waren offenkundig noch voll davon.“ Aus Krebsen wurde sogar eine süße Torte produziert. Anderes gibt Rätsel auf. Was zum Beispiel bedeutet „Borsala Mocle“? Darauf weiß nicht einmal Google Antwort. Auf jeden Fall geht es in dem entsprechenden Rezept um eine Riesenmenge Rindfleisch („sechs bis acht Pfund vom hinteren Stük“), jede Menge Gewürze (vom Stangenknoblauch – damals „Rokenboll“ genannt – über Charlottenzwiebeln, Zitronenmark, Nelke, Lorbeerblätter bis hin zu Ingwer) sowie Sardellen, Speck und Pilze. Die Erkenntnis für Vetter: „Auch Pietisten wussten wohl zu genießen.“ Viel Sättigendes finde sich in dem Buch. Und viel Süßes, bei dem eine Menge Eier und auch Mandeln verwendet worden seien. „Vielleicht nehmen wir im Sommer immer je ein Gericht auf unsere wechselnde Monatskarte“, sagt Vetter.
