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Von der Bühne in den Blumenladen

Handwerk Trotz harter Arbeitsbedingungen und schlechter Bezahlung liebt Floristin Nadine Baldzer ihren Job und hat dafür sogar einen Traum aufgegeben. Von Matthäus Klemke

Es passt alles: Die Kuppel schließt mit einem 90-Grad-Winkel ab, alle Stiele zeigen in die gleiche Richtung, keiner wird abgequetscht, spielende und abfließende Formen ergänzen sich – wenn Nadine Baldzer über Blumen spricht, dann klingt das ein wenig nach einer Wissenschaft.

Dabei ist der Job der Floristin für die 31-Jährige alles andere als trocken. Eher etwas sehr Persönliches und Emotionales: „Man erlebt Freude und Trauer.“ Vor drei Jahren hat sich Baldzer für eine Ausbildung zur Floristin entschieden und dafür ihren Job als Musical- und Theaterdarstellerin an den Nagel gehängt. „Ich wollte diese Unsicherheit nicht mehr haben. Man läuft von einem Casting zum anderen und hofft darauf, engagiert zu werden.“ Die gebürtige Linsenhofenerin sucht nach einer Arbeit, in der sie künstlerisch tätig sein kann und finanziell abgesichert ist. „Ich habe schon immer gerne mit den Händen gearbeitet.“ Sie entscheidet sich schließlich für eine Ausbildung zur Floristin – auch wenn die finanzielle Sicherheit in dieser Branche ebenfalls nur bedingt gegeben ist. „Die Bezahlung hat mich schon abgeschreckt. Aber das Wichtigste ist immer noch, dass man sich in dem Beruf wohlfühlt.“

Stressiger Alltag

Ein Ausbildungsbetrieb ist schnell gefunden. „Es gibt überall Jobs“, sagt Baldzer. Sie bekommt eine Stelle bei einem Blumenhandel in Neuffen. Schnell merkt die 31-Jährige, dass zu dem Job mehr als nur das Binden von Blumensträußen gehört. „Man muss Wasserkübel schleppen, Bäume aufstellen. Es ist körperlich anstrengend. Hinzu kommt der zeitliche Druck. Es kann schon sehr stressig werden.“ Da sich der Blumenladen in der Nähe des Friedhofs befindet, kommen die Mitarbeiter häufig mit Trauernden in Kontakt. „In der Berufsschule haben wir auch solche Situationen durchgespielt.“

Nicht jeder Azubi scheint sich den Job so vorgestellt zu haben, die Abbrecherquote ist hoch. „Anfangs waren wir 20 in der Klasse, am Ende nur noch neun.“ Baldzer aber findet schnell Gefallen an ihren neuen Tätigkeiten. Es ist ein Schicksalsschlag, der Nadine Baldzer bewusst macht, dass sie diesen Weg weitergehen möchte: Ein Monat nach dem Beginn ihrer Ausbildung stirbt ihre Oma. „Ich habe meine Ausbilderin dann gefragt, ob ich den Urnenkranz für meine Oma selbst machen darf.“ Dass eine Auszubildende mit wenigen Vorkenntnissen alleine mit einer solchen Aufgabe betraut wird, ist eher ungewöhnlich. Doch Baldzer bekommt das Vertrauen ihrer Vorgesetzten. „Am Ende war es so gut, dass der Chef nicht glauben konnte, dass ich das war“, erinnert sie sich mit einem Lächeln. „Aber vor allem hatte ich das Gefühl, etwas sehr Persönliches für meine Oma gestaltet zu haben.“

Prüfung bestanden

Baldzer hat ein Händchen für das Handwerk. Der Blumenkopfschmuck, den sie zusammen mit ihrer Ausbilderin kreiert, schafft es sogar in ein Fachmagazin. Nadine Baldzer steht damals selbst Modell. Zum Ende ihrer Ausbildung musste sie sich nun den Prüfungen der IHK stellen. Bereits im Mai meisterte Baldzer den theoretischen Teil. „Ich musste die botanischen Namen von 300 verschiedenen Blumen lernen.“ Dann wird sie in ein fiktives Szenario hineinversetzt: „Es hieß, die Mutter eines Kunden sei verstorben. Ich sollte die Trauerfeier in der Aussegnungshalle gestalten.“ Dafür muss sie auch eine Zeichnung von dem dekorierten Raum anfertigen. „In der Schule bekamen wir sogar Zeichenunterricht.“ Sie besteht die Prüfung, Mitte Juli folgte der praktische Teil. Nadine Baldzer muss innerhalb einer bestimmen Zeit einen Strauß binden, ein Gesteck fertigen und sogar ein Beet bepflanzen. Erst vor wenigen Tagen hat Baldzer erfahren, dass sie bestanden hat. Nun wechselt sie in einen Betrieb in der Göppinger Fußgängerzone.