Wer seine Kunstausstellung „Natürliche Umgebung“ betitelt, liefert nicht nur Ironie, sondern eine Menge Denkanstöße mit. Im Falle von Marc Allgaier kommt solche Mehrschichtigkeit nicht von ungefähr. Er stammt aus Lenningen, ist gelernter Grafikdesigner und hat Kommunikationsgestaltung studiert. Der Umgang mit traditionellen und neuen Medien gehört zu seinem Handwerk. Ebenso die Reflektion gesellschaftlich brisanter Themen wie Ökologie und Nachhaltigkeit. Die ästhetische Vielfalt des Papiers führt Allgaier mit einer begehbaren Installation vor Augen. Massivität und Leichte des Materials beeindrucken beim Gang durch das höhlenartige Gebilde ebenso wie sein statisches Vermögen, das dem Papier zu architektonischer Qualität verhilft.
Die einst revolutionäre Schwelle zwischen analog und digital hebeln Allgaiers Werke gekonnt aus. Am Computer entstandene Collagen finden sich als gerahmte Exponate hinter Glas wieder. Die tradierte Haltung, analoger Präsenz einen höheren Grad an Wirklichkeit zuzusprechen, unterlaufen Allgaiers Artefakte souverän. Zugleich stellen sie jene Form globalen Wandels aus, den der Künstler als „neue Technik“ betrachtet: „Die alte Technik wird jeden Moment von der Zeit überholt“, erläutert er. Die ständig laufende Suche nach neuen Lösungen sieht Allgaier als zielgerichtetes, gleichwohl ergebnisoffenes Unterfangen: „Relevant ist nur die ständige Veränderung, das Aufzeigen neuer Möglichkeiten“, betont er.
Allgaiers rastlos voranschreitende „neue Technik“ bedient sich überkommener Versatzstücke und arrangiert diese neu. In Claude Lévi-Strauss` Konzept der „bricolage“ hat sie ein prominentes Vorbild. Auch Tiere spielen in Allgaiers motivischem Kosmos eine wichtige Rolle. Malerisch in Szene gesetzt als unschuldige Lebewesen, die ihrer natürlichen Umgebung entrissen wurden. Tierisches Personal findet sich in einem Milieu wieder, das Selbstverleugnung fordert und zu unbedingter Anpassung nötigt. Für Allgaier auch eine Diagnose menschlicher Zustände: „Beim Betrachten spiegeln wir uns selbst im Tier“, sagt er. Doch bleibt seine Kunst nicht bei pessimistischer Bestandsaufnahme stehen. In der ästhetischen Reflektion sieht er die Chance, Bewusstsein für menschliches Handeln und dessen weltweite Folgen zu schärfen. Fraglos ist es gehaltvolle Kost, die Allgaier auftischt. Dennoch erdrücken die Bilder nicht mit der Last ihrer Fragen. Vielmehr imponiert ihre Leichtigkeit im Wechsel von Material und Technik. Korrespondiert in Allgaiers Malerei figurative Prägnanz mit skizzenhaft geworfenen Gesten, bannen seine Collagen den Blick mit Detailfülle und perspektivischer Raffinesse. „Die neue Technik schreibt auf ihrer Suche zugleich ihre eigene Geschichte“, so der Künstler. Gelegenheit, diesem Prozess nachzuspüren, besteht in der Lenninger Gemeindebücherei bis einschließlich Samstag, 7. Oktober. Marc Allgaiers Installation im Museum für Papier- und Buchkunst ist noch bis Sonntag, 25. Februar 2024 zu begehen.