Die Begeisterung bei Roswitha und Hartmut Hehr ist nach 30 Jahren nicht abgeebbt, im Gegenteil. Auch Schwiegertochter Viktoria ist zwischenzeitlich vom „Wari“-Virus infiziert. Wari – dahinter verbirgt sich die Warentauschbörse Erkenbrechtsweiler/Hochwang, die zweimal im Jahr in der Mehrzweckhalle Erkenbrechtsweiler immer am letzten Wochenende im September und März stattfindet. Nur die Corona-Pandemie bremste die ehrenamtlichen Macher fünf Mal aus.
Danach ging es mit gleichem Elan weiter, sehr zur Freude sämtlicher Beteiligter. Die einen freuen sich, ihre Keller, Bühnen und Schränke leer zu bekommen, die andern über neuen Schätze: Bücher, Küchenmaschinen, Lampen, Nähzeug, Kindersitze, Gläser, Dekoartikel, Schüsseln, Schallplatten – die unterschiedlichsten Sachen finden sich auf den Tischen in der Halle.
„Mittlerweile ist der Wari ein Event für die Leute geworden.
Roswitha Hehr, Mitorganisatorin des Warentauschtags
Angefangen hat alles im September 1994. Familie Rouff war gerade von Deizisau nach Erkenbrechtsweiler gezogen, wo zwischenzeitlich auch Familie Hehr wohnte. Die Kinder waren im gleichen Alter, man verstand sich bestens. Familie Rouff hatte am Neckar schon Warentauschbörsen organisiert, und so war schnell die Idee geboren, sowas auf der Alb auch anzubieten. Das Angebot schlug ein, seitdem ist der Wari ein Selbstläufer.

Ziemlich schnell kommt Familie Hehr auf die Palme zu sprechen, Stichwort: Dinge, die immer wieder kommen. Gleich bei ihrem ersten Auftritt war sie der Hingucker schlechthin, schließlich ist sie aufgeblasen nicht zu übersehen. Es dauerte nicht lange, und weg war sie. Studenten konnten sie bestens für eine Themen-Party gebrauchen. Ausgedient landete sie nicht auf dem Müll, sondern erneut in der Gemeindehalle, wo sich wieder Interessenten fanden – was sich mehrfach wiederholte. Immer wieder tauchen Kuriositäten auf. Einmal kam eine historische Knopfmaschine zum Beziehen von Knopfrohlingen zum Vorschein. Sie wurde ins Freilichtmuseum Beuren weitergereicht – ein Akkordeon und eine Hammondorgel an die Lenninger Musikerschule. „Wir unterstützen regelmäßig soziale Einrichtungen und Schulen im Umland“, sagt Roswitha Hehr. Sie weiß, was die Einrichtungen brauchen. Ist ein Karton voll mit Wolle, „greift“ sie ihn für die Schulen und Kindergärten ab. Auch weiße Tücher sind dort für Transparente oder zum bemalen begehrt.
Müllvermeidung ist der Grundgedanke für den Wari. „Mittlerweile ist es ein Event für die Leute geworden“, freut sich Roswitha Hehr. Wer ausräumt, muss nicht zur Deponie fahren, sondern kann zwischen 9 und 11 Uhr an der Mehrzweckhalle vorfahren und seine Kartons abgeben. Die werden dann von fleißigen Helfern abgenommen und in einer groben Ordnung auf rund 40 Tische verteilt, die ebenfalls Freiwillige aufgestellt haben. „Wir sind alle jedes Mal gespannt, was aus den Kartons rauskommt“, sagt Roswitha Hehr.

Punkt 11 Uhr werden die Türen geöffnet. Den Vortritt haben die Kleinsten. „Für die ist an dem Tag Ostern und Weihnachten zusammen. Die drücken sich davor schon die Nasen an den Fenstern platt, um zu schauen, was es gibt“, erzählt Hartmut Hehr. Sie dürfen sich der Größe nach aufstellen, jeder hat seine Tasche dabei – und dann zu den Tischen losstürmen, die nicht ohne Grund ganz hinten stehen: Dort werden sie von den Erwachsenen nicht umgeschubst, denn es gibt nach jahrzehntelanger Beobachtung von Hartmut Hehr drei Kategorien von Besuchern: die Stürmer rennen los, um sich die ausgeguckten Dinge zu sichern; die Schlenderer, die zum „shoppen“ kommen – und die, die (den Termin fast) verschlafen haben und kurz vor 12 Uhr auftauchen. Das Publikum ist bunt gemischt: Studenten, Senioren, Familien und „Leute, die es brauchen, und solche, die es finanziell bestimmt nicht nötig haben“, sagt Hartmut Hehr. Eine Familie kommt seit Stunde Null und hat noch keine einzige Warentauschbörse ausgelassen.
Der Abbau erfolgt geordnet. Als erstes kommen die Glaswaren in den Container, Elektrogeräte und ähnliches zum Wertstoffhof. Papier erhält der Posaunenchor für seine Papiersammlung, Kleidung wird abgeholt für die Alb-Donau-Rumänienhilfe oder kommt in die Altkleider-Container. Was dann noch übrig ist, landet im Container, den der Landkreis zur Verfügung stellt, und den die Gemeinde Erkenbrechtsweiler bezahlt. Am meisten bleiben Dekoartikel übrig. „In jüngster Vergangenheit wird der Container fast voll. Es gab Phasen, wo er fast leer war“, sagt Roswitha Hehr. Müll wird zum Wari kaum angeliefert, zu 95 Prozent sind die Waren völlig in Ordnung. Man kennt sich auf der Vorderen Alb. Deshalb wird alles sauber und ordentlich angeliefert. „Manche sind aber auch schenant und trauen sich nicht, ihre Sachen abzugeben“, meint Hartmut Hehr mit einem Augenzwinkern.
Ist alles geschafft, kommt für die ehrenamtlichen Helfer der gemütliche Teil des arbeitsreichen Tags: Man sitzt zusammen und stärkt sich. Hausmeister Daniel Pavlovic hat in einem großen Topf aus sechs Kilo Fleisch Gulasch gekocht.