Zwischen Neckar und Alb
Von Weizsäcker stemmt sich gegen ein zerstörerisches Wirtschaftswachstum

Tagung Beim „Tag der nachhaltigen Betriebswirtschaft“ war Professor Ernst Ulrich von Weizsäcker zu Gast.

Nürtingen. Fast zwei Drittel der Wirbeltiere, die auf der Erde leben, sind Schlachttiere. Etwa ein Drittel sind Menschen, nur drei Prozent Wildtiere, die Vermüllung der Meere hat apokalyptische Ausmaße angenommen, zudem gesellen sich steigender Flächenverbrauch, ungezügeltes Bevölkerungswachstum und untergehende Inselstaaten. Wenn Ernst Ulrich von Weizsäcker seine Liste der vom Menschen verursachten Umweltschädigungen vorträgt, gerät er fast in Rage. Noch immer streitet der 83-Jährige mit ganzer Leidenschaft für Klimaschutz und gegen ein zerstörerisches Wirtschaftswachstum.

Von Weizsäcker hielt das Auftakt-Referat beim „Tag der nachhaltigen Betriebswirtschaft“ in der Nürtinger Stadthalle. „Wie schaffen wir die Transformation in eine nachhaltige Zukunft? Studierende fragen Unternehmen“, so lautete der Untertitel der Fachtagung, organisiert von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU).

„Deutschland ist weltweit für zwei Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Das ist innenpolitisch und physikalisch irrelevant“, ist von Weizsäcker überzeugt. Dringend erforderlich sei eine „Klimaaußenpolitik“ und eine Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Umweltschädigung. Seinen fast beklemmenden Ausführungen zum Zustand des Planeten zu Beginn setzt er Lösungsansätze entgegen. Ein Ausbau der Kreislaufwirtschaft, Nutzergemeinschaften, eine bessere Energieeffizienz, das „Remanufactoring“ von Produkten oder die Bepreisung von CO2-Emissionen gehören dazu. Vor allem aber brauche die Welt eine „neue Aufklärung“. Im Kern gehe es hier um einen Abschied von Egoismus, Individualismus und intolerantem Rationalismus. Der Grundgedanke dieser Aufklärung ist die Realisierung einer Balance zwischen Mensch und Natur, Staat und Markt, Gerechtigkeit und Leistungsanreiz, Innovation und Bewährtem, langfristigem und kurzfristigem Denken.

Es braucht ein neues Denken

Ein neues Denken, dies steht auch im Mittelpunkt des „Nürtinger Models“ einer nachhaltigen Betriebswirtschaft. HfWU-Professor Robert Gabriel stellte den neuen Ansatz vor. „Nach wir vor ist die Realität, dass im Konfliktfall mit dem Klimaschutz meist die Profitorientierung vorrangig ist“, so Gabriels Befund. Nachhaltigkeit dürfe in Unternehmen nicht weiter als entkoppelter Zusatzbereich betrachtet werden.

Am Vormittag vor der Tagung hatten sich Studierende zusammen mit moderierenden HfWU-Professoren in Arbeitsgruppen zusammengetan. Hier wurden mit Blick auf verschiedene Branchen Fragen zum Stand der Nachhaltigkeitsstrategien entwickelt. Gestellt wurden diese an Unternehmensvertreter im Rahmen der Tagung.

Fazit und Ausblick der Tagung lieferte HfWU-Professor Klaus Gourgé, Leiter des Studiengangs „Zukunftstrends und Nachhaltiges Management“. Entscheidend sei angesichts der schier übermächtigen Herausforderungen nicht in einen „Ohnmachtsmodus“ zu verfallen, sondern sich ans aktive Gestalten zu machen. Genau dies sei auch Zweck der Tagung gewesen. Es gäbe in der Wissenschaft wie in der Praxis viele vielversprechende Ansätze eines anderen Wirtschaftens. pm