Weilheim. Am 15. September 1908 startete die letzte Fahrt der Pferdepost am Gasthaus Post in Weilheim lindachabwärts nach Kirchheim. Die Stilllegung hing mit der Eröffnung der Eisenbahnlinie Kirchheim – Weilheim am 4. September 1908 zusammen. Genau 50 Jahre hatte die anfangs so fortschrittliche Postbeförderung, die auch für die Entwicklung der heimischen Industrie und des Handwerks so wichtig war, Bestand. Die bedeutende Einrichtung der Pferdepost im deutschen und europäischen Raum verschwand damit aus der Limburgstadt. Den einst von Thurn und Taxis gegründeten Personen- und Briefverkehr übernahm später der württembergische Staat. Dank der Weitsichtigkeit der württembergischen Grafen und Herzöge wurde er zu einem flächendeckenden Netz ausgebaut, sodass selbst kleinste Ortschaften davon profitierten.
Diese postalische Errungenschaft hat in der Entwicklung der Städte und Dörfer einen breiten Raum eingenommen. In Weilheim, Hepsisau und Neidlingen gab es den historischen Aufzeichnungen nach schon im 18. und 19. Jahrhundert privat organisierte, sporadische Post- und Botendienste, die zum Teil zu Fuß oder mit Pferdegespann vorgenommen wurden.
Die neue Ära begann mit der Einrichtung eines offiziellen Postamts durch die „Königliche Generaldirektion der Posten und Telegraphen“ im Gasthaus zur Linde in Weilheim am 8. Dezember 1858. Die Hauptstrecke führte von Weilheim nach Kirchheim mit einer Kutsche, die außer dem Bocksitz noch für vier Personen und für Briefe und Pakete Platz hatte. Zweimal täglich fuhr die Kutsche hin und her.
Die Ortschaften Neidlingen, Hepsisau und Ochsenwang wurden als Nebenlinien von Weilheim aus bedient. Darüber hinaus gab es vom 1. November 1862 an eine verlängerte Linie nach Wiesensteig. Sie wurde jedoch schon 1882, also nur 20 Jahre später, umgeleitet. Michael Prinz (1758 – 1895) erwähnt dies in der alten Ortschronik: „Dieses Jahr wurde die Postfahrt von hier verlegt und über den Deutschen Hof gefahren und es ging nach Neidlingen nur noch ein Einspänner von hier aus.“
Die Linie nach Hepsisau und Ochsenwang wurde weiterhin als Pferdekutschen-Post betrieben. Der Briefträger Konrad Bazle aus Ochsenwang war für diesen Teil zuständig. Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts befuhr er mit seinem Rappen und seiner schwarzen Kutsche wöchentlich zwei- bis dreimal die Strecke. Bekannt humorvoll, auch als persönlicher Nachrichtenüberbringer, war er bei der Bevölkerung sehr beliebt und belebte in seiner originellen Art das dörfliche Alltagsleben. Nach seinem Ausscheiden 1946 übernahm sein Sohn Walter den Dienst, zuerst mit Vaters Pferdekutsche, später mit Fahrrad und Motorrad, wobei auch der Randecker Hof, das Otto-Hoffmeister-Haus und Rauber-Diepoldsburg zu bedienen waren.
Walter Bazle kann als „postalisches Urgestein“ bezeichnet werden. Die Ausführungen des heute 90-jährigen Weilheimers lassen den Wandel im ganzen Postbereich während seiner Amtszeit von 1946 bis 1989 wieder lebendig werden. Wilhelm Braun