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Warum der Landkreis tut, was er tut

Vortrag Im Rahmen des Doppeljubiläums von Kreissparkasse und Landkreis gab Archivar Manfred Waßner interessant Einblicke in die Geschichte. Von Rainer Kellmayer

Zwei besondere Jubiläen werden in der Region Esslingen gefeiert: Der Landkreis wird 50 Jahre alt und die Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen besteht seit 175 Jahren. Ein breit gefächertes Veranstaltungsprogramm begleitet das Doppeljubiläum über das Jahr: Gefeiert wird mit Konzerten, Vernissagen, Aktionstagen und einer Reihe von Vorträgen.

In der letzten Veranstaltung der Vortragsserie gab im Kirchheimer Kunden-Center der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen Manfred Waßner interessante Einblicke in die vielfältigen Aufgaben des Landkreises und deren historische Entwicklung. Überschrieben hatte Waßner, der seit 20 Jahren im Esslinger Landratsamt das Kreisarchiv leitet, seinen Vortrag mit „Straßen, Schulen, Subsidiarität: Wie der Kreis zu seinen Aufgaben kam“.

Größter Arbeitgeber

In seiner Begrüßung ging Landrat Heinz Eininger auf die umfassenden Aufgaben der Kreisverwaltung ein. Mit 5000 Mitarbeitenden ist das Landratsamt der größte Arbeitgeber im Kreis. Ein umfassender Aufgabenkanon ist zu bewältigen: Von den neun Berufsschulen mit 1300 Schülern, über die drei Kreiskliniken hin bis zu Straßenbau und Abfallwirtschaft und mehr. Große Sorge macht dem Landrat die Situation um die Geflüchteten. „Wir sind am Anschlag. Wir können den ständigen Zustrom an Geflüchteten weder personell noch in den baulichen Kapazitäten weiter bewältigen“, beschrieb der Verwaltungschef die aktuelle Situation.

Nach diesen trüben Aussichten sorgte ein heiteres Video für etwas Entspannung. Darin wurde die provozierende Frage gestellt: „Brauchen wir überhaupt ein Landratsamt?“. Die Antwort folgte in humorigen Szenen: Ohne Kreisverwaltung würde Vieles zusammenbrechen – ein funktionierendes gesellschaftliches Leben wäre in der Region nicht möglich.

Dies unterstrich auch Kreisarchivar Manfred Waßner. In seinem Vortrag zeigte er die lange Tradition der Landratsämter auf, deren Wurzeln als Selbstverwaltungselement im 19. Jahrhundert liegen. In den Ämtern des Herzogtums Württemberg schlossen sich die Gemeinden zu Amtsverbänden zusammen, die wesentliche Aufgaben gemeinsam wahrnahmen. Schon damals galt das Subsidiaritätsprinzip: Aufgaben, die der Einzelne oder eine Gemeinde nicht schultern konnten, übernahm die übergeordnete Behörde. Auch der Streit ums Geld ist nicht neu. Zur Deckung der Aufwendungen wurde – entsprechend der heutigen Kreisumlage – ein „Amtsschaden“ erhoben. Und wie heute wurden auch früher diese Abgaben nur murrend und von Diskussionen begleitet entrichtet.

Aus dem breiten Aufgabenfeld des Esslinger Landratsamtes beleuchtete Waßner in historischen Abrissen die Themenbereiche Straßenbau, Krankenhäuser und Schulen. Straßen zu unterhalten war auch in früheren Zeiten keine beliebte Aufgabe. Wenn Straßen oder Brücken außerhalb des Stadtgebiets lagen, wollte dafür niemand Geld ausgeben. Deshalb übernahm das Oberamt zunehmend die außerörtlichen Baulasten. Daraus entstanden die heutigen Landes- und Bundesstraßen.

Dass es früher bei Sanierungen nicht gerade zimperlich zuging, verdeutlichte eine Amtsanordnung des Vogts zu Nürtingen an die Schultheißen seiner Gemeinden. 1742 verfügte er kurzerhand, dass sie am nächsten Tag eine Anzahl von Arbeitern abzustellen haben, um bei Tenzlingen eine Brücke über den Neckar zu bauen.

Unverzichtbare Ebene

Noch um 1900 hatten die Amtsverbände kein Krankenhaus in ihrer Hand: Die Kliniken wurden von den Städten oder wohltätigen Organisationen betrieben. Diese überkommenen Strukturen waren nicht mehr tragfähig, und im 20. Jahrhundert übernahm mehr und mehr der Kreis die Trägerschaft. Ähnlich verhielt es sich bei den gewerblichen Schulen, die in der zweiten Hälfe des vorigen Jahrhunderts vom Kreis übernommen wurden.

Angesichts der vielfältigen Aufgaben des Landkreises zog Manfred Waßner das Fazit: „Die Ebene über den Gemeinden, unterhalb des Gesamtstaats, ist unverzichtbar. Sie handelt lokal, ist leistungsfähig, und versucht, das Ganze und nicht nur den Kirchturmhorizont im Blick zu haben“.