Zwischen Neckar und Alb
Warum ein Esslinger hunderte alte Röhrenradios reparierte

Tüftler Konrad Dentlinger ist fasziniert von alten Röhrenradios. An die 220 Geräte besitzt der Esslinger. 180 davon hat er restauriert und repariert. Von Petra Pauli

In der Zimmerdecke steckt noch der Haken, an dem einst ein Boxsack hing. Doch in diesem Hobbykeller gibt es längst keinen Zentimeter Platz mehr, um Sport zu treiben. Auch eine Werkbank ist so vollgestellt, dass nichts mehr von ihr zu sehen ist. Frei sind nur noch sehr schmale Gänge zwischen den Regalen, die bis zur Decke gefüllt sind.

Es ist das Reich von Konrad Dentlinger. Hier repariert und res­tauriert er vor allem alte Röhrenradios. „Ich müsste schon bettlägerig sein, wenn ich mal einen Tag nicht hier unten bin“, sagt der Esslinger Bastler und lacht. Zudem hilft er regelmäßig im Reparaturcafé Esslingen. Bis zur Rente vor zwei Jahren hat der gelernte Radio- und Fernsehtechniker an der Hochschule Esslingen gearbeitet und war dort für die Medientechnik zuständig. Er besitzt an die 220 historische Radiogeräte. 180 von ihnen sind wieder voll funktionsfähig. In den Regalen sind sie daran zu erkennen, dass sie ordentlich und doch luftdurchlässig in Schutzfolie verpackt sind. In Betrieb sind die Radios, die teils stattliche Ausmaße von einem halben Meter Breite haben, bei ihm also nicht mehr. Er repariert sie um ihrer selbst Willen und um ein Stück Geschichte zu bewahren.

Die älteren Geräte stammen aus den 30er-Jahren, die jüngeren wurden zwischen 1962 und 1965 gebaut. „Jedes Radiogerät, das verschrottet wird, ist unwiederbringlich verloren“, sagt er. Überhaupt stört ihn die Wegwerfmentalität. Was es auch ist, von der Autotür bis zum Flachbildschirm – Dentlinger versucht immer, die Dinge zu reparieren. Und das auch meis­tens mit Erfolg. „Oft sind es nur Kleinigkeiten, an denen es hakt“, ist seine Erfahrung.

Gegen die Wegwerfmentalität

Mit vielen seiner alten Röhren­radios hat man einen guten UKW-Empfang. Versuchsweise hat Dent­linger auch schon einen modernen, digitalen Empfänger an ein Röhrenradio angeschlossen. „So kann man den Röhrensound weiter genießen“, sagt der 66-Jährige. Viele Liebhaber schätzen diesen Klang. „Es ist ein weicher Bass“, umschreibt Dentlinger den besonderen Ton. „So eine Röhre ist endlich und verbraucht sich irgendwann“, sagt er über den Reiz. Deshalb werde auch das „magische Auge“, eine spezielle Elektronenröhre, die in vielen Geräten eingebaut ist und die die Stärke des Signals anzeigt, irgendwann blasser.

In seinen Regalen stehen allerhand Besonderheiten wie etwa ein „Tefifon“, bei dem die Töne von einer Endlosband-Kassette abgegriffen werden, oder ein Empfänger der Fellbacher Firma Wega. Stolz ist er auf den „Schneewittchen-Sarg“, das ist ein Plattenspieler mit integriertem Röhrenradio der Firma Braun. Namensgebend war hier der große, durchsichtige Deckel. Bei Ebay werden Röhrenradios ab 30 bis 150 Euro gehandelt, anspruchsvollere Modelle können auch über 500 Euro erzielen. Aber hergeben möchte Dentlinger seine Schätze ohnehin nicht – auch wenn es eng ist im Keller.

 

Vorgänger des Kofferradios

Bei Röhrenempfängern werden vor allem Elektronenröhren als aktive Bauelemente zur Verarbeitung verwendet. Gebaut wurden Röhrenradios bis in die 1960er-Jahre, dann wurden sie von den Transistoren, oft Kofferradio genannt, verdrängt.

Ein Ende des analogen Empfangs von Ultrakurzwelle (UKW) ist in Deutschland nicht in Sicht. Norwegen hat sich 2017 fast vollständig von UKW verabschiedet, die Schweiz wird 2023 folgen. pep