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Was das Handwerk im Landkreis Esslingen von der Politik erwartet

Wirtschaft Die Handwerkskammer Region Stuttgart und die Esslinger Kreishandwerkerschaft hatten zu einem Dialog mit Politikern eingeladen. Dabei ging es vor allem um die Energiepolitik und die überbordende Bürokratie. Von Henrik Sauer

Beim Thema Bürokratieabbau platzte Handwerkskammerpräsident Rainer Reichhold beinahe ein wenig der Kragen: „Ich mag keine Beispiele dafür mehr hören. Die gibt es genug. Ich will auch nicht wissen, ob das in die Zuständigkeit von Europa, Bund oder Land fällt. Ihr müsst liefern“, schrieb er den Politikern ins Stammbuch: „Mein Vorschlag ist: halbiert die Bürokratie.“

 

Die Politik muss liefern.
Rainer Reichold, Präsident der Handwerkskammer

Mit ihrer Veranstaltungsreihe „Handwerkspolitische Gespräche“ reist die Kammer durch die Region Stuttgart und lädt Handwerker aus den jeweiligen Landkreisen dazu ein, mit Politikern die Themen zu diskutieren, die ihnen auf den Nägeln brennen. Rund 20 Handwerker aus dem Landkreis Esslingen waren in den Panoramasaal der Nürtinger Stadthalle K3N gekommen. Aus dem Landtag nahmen die Abgeordneten Andreas Deuschle (CDU) aus Wolfschlugen und Andreas Schwarz (Grüne) aus Kirchheim teil.

Wie geht es dem Handwerk derzeit? Sorgen bereite ihm das Bauhauptgewerbe, sagte Rainer Reichhold. Wenn man sich anschaue, dass die Banken in den vergangenen zwölf Monaten nur ein Viertel so viel an Kreditzusagen gegeben hätten wie ein Jahr davor, „dann wissen wir, wer alles bauen kann und wer nicht“, so der Nürtinger Kammerpräsident. Der soziale Friede sei gefährdet, wenn das Grundrecht auf Wohnen nicht mehr erfüllt werden könne. Hier sei die Politik gefordert. „Unser Vorschlag ist: Weg mit der Grunderwerbsteuer für den ersten Erwerb einer Immobilie.“

Während das Baugewerbe kämpfen müsse, seien Handwerksbetriebe, die sich mit Energie und Sanierung beschäftigen, bis dato mit den Aufträgen kaum nachgekommen. Mit dem Gebäudeenergiegesetz habe sich dies gewandelt. „Ein völliger Schuss in den Ofen“, sagte Reichhold. Das Gesetz schade Wirtschaft und Handwerk.

Notwendig seien Rahmenbedingungen, die die Energiewende beflügelten. In der Folge des Gesetzes seien aber dieses Jahr mehr Öl- und Gasheizungen gebaut worden als Wärmepumpen, konstatierte der Kammerpräsident. Wichtig sei, daraus Lehren zu ziehen: „Nur gemeinsam bekommen wir es hin.“

Dazu müsse auch das Vertrauen der Bürger wieder gewonnen werden. Ein Heizungstechniker aus Kirchheim im Publikum kritisierte fehlende Klarheit bei Förderrichtlinien. „Die Leute machen nichts, weil es keine klaren Zusagen für Fördergelder gibt.“

Schleppende Digitalisierung

Zum Thema Digitalisierung wollte Moderator Martin Hoffmann von Andreas Deuschle wissen, wie es damit bei der öffentlichen Verwaltung aussehe. Seien doch bislang erst vier Prozent der Verwaltungsdienstleistungen online verfügbar. „Wir sind hier nicht gut“, räumte der CDU-Abgeordnete ein. Allerdings sei es mit einer Eins-zu-eins-Umsetzung analoger Prozesse ins Digitale nicht getan, sagte er: „Etliches wird trotzdem noch ausgedruckt.“ Das zeige, dass häufig, auch in den Verwaltungen, dieses Thema noch nicht verstanden werde. Er nannte als Beispiel den digitalen Personalausweis, der in der Bevölkerung bislang kaum akzeptiert werde. Dieser sei aber Voraussetzung für viele digitale Dienstleistungen. „Wir müssen bei der Abwägung zwischen Datenschutz und Service zu einem neuen Ergebnis kommen“, so Deuschle.

Breiten Raum nahm in der Diskussion der Bürokratieabbau ein. In Wirklichkeit werde Bürokratie aufgebaut, konstatierte Kreishandwerksmeister Karl Boßler. Andreas Schwarz verwies auf die Entlastungsallianz von Landesregierung und Wirtschaftsverbänden. Rund 200 Vorschläge zur Entlastung seien gemacht worden, die man sich alle anschaue, versprach er.

Andreas Deuschle sagte, er sei skeptisch, „dass der Frosch den Sumpf trockenlegt“. Dies führe zur Frage der Verantwortung. Wenn Vorschriften wegfielen, brauche es jemand, der bereit sei, Verantwortung zu übernehmen. Deswegen müsse seiner Meinung nach der Bürokratieabbau vom Gesetzgeber kommen, die Verwaltungsebene werde es nicht machen. Andreas Schwarz brachte gesonderte Regelungen für kleine und mittlere Unternehmen ins Spiel. Es gelte zu überlegen, ob manche Regelungen für kleinere Betriebe überhaupt relevant seien.