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Was Ingrid van Bergen mit der Schwäbischen Alb verbindet...

Promitalk Die Schauspielerin, die sogar schon im Gefängnis saß, hat einen Teil ihrer Jugend am Fuß der Achalm verbracht. Das Flüchtlingskind kehrte zwar nie mehr nach Metzingen zurück, trat aber 2011 in Kirchheim auf. Von Gabriele Böhm

Von der Achalm schwärmt Ingrid van Bergen, Jahrgang 1931, noch heute. Die gebürtige Danzigerin kam nach der Flucht im Zweiten Weltkrieg mit ihrer Familie ins Ländle und wurde später zu einer der berühmtesten deutschen Schauspielerinnen der Nachkriegszeit. Sie stand mit Hollywoodstars wie Kirk Douglas, William Holden oder Robert Mitchum vor der Kamera. 1977 geriet sie in die Schlagzeilen, weil sie ihren Geliebten erschossen hatte. Bis 1981 saß sie im Gefängnis. Danach startete sie ihre Karriere neu.

Heute engagiert sich Ingrid van Bergen im Tierschutz und lebt in der Lüneburger Heide. Doch die Zeit in Metzingen und Reutlingen hat sie nie vergessen. Als die Schauspielerin zehn Jahre alt war, fiel ihr Vater an der Ostfront. Ihre Mutter flüchtete mit ihren vier Kindern aus Danzig und gelangte 1945 in ein Auffanglager im dänischen Skagen. Dort blieb die Familie bis 1948.

Über den künftigen Wohnort entschied eine Stecknadel, die die Mutter mit geschlossenen Augen in eine Karte der französischen Besatzungszone piekste. So fiel die Wahl auf Metzingen. „Hier wurden wir mit anderen Flüchtlingen auf dem Marktplatz ausgeladen", erinnert sich die heute 89-jährige Ingrid van Bergen. „Die wohlhabende Lederfabrikantenfamilie Bräuchle suchte uns aus und überließ uns das Obergeschoss eines Hauses in der Reutlinger Straße. Heute ist dort ein Outlet-Center. Weil der Platz für die fünfköpfige Familie nicht ausreichte, bekam der Bruder im Nebenhaus noch ein Zimmer zum Übernachten.

 

 

„Ich bekam einen langen Rock mit Schlitz.
Ingrid van Bergen über ihr erstes Engagement als Tänzerin im Hamburger Hafenviertel

 

„Wir waren meist unter uns", erinnert sich das Flüchtlingskind: „Insgesamt gab es schon Vorbehalte gegen Flüchtlinge." Emilie Bräuchle habe aber geholfen, wo es ging, weiß deren Enkelin Margret Carl. Auch an die Familie van Bergen kann sie sich noch gut erinnern. Ingrid van Bergen sei man mit einer Mischung aus Scheu und Bewunderung begegnet. „Sie war anders, nicht so in der Norm", bringt es Margret Carl auf den Punkt. Die damals 17-Jährige habe sich geschminkt und war chic angezogen, sehr selbstbewusst, extravagant: „Wir haben als Kinder schon gecheckt, dass sie etwas Besonderes war."

Über die Runden kam die Flüchtlingsfamilie laut Ingrid van Bergen, weil die Mutter als Kriegswitwe mit vier Kindern eine Pension erhielt, mehr aber auch nicht. „Ich kann euch nichts bieten", habe die Mutter gesagt, „Aber Ihr sollt eine gute Ausbildung haben. Lernen ist wichtig." Jeden Morgen fuhren Ingrid und ihr Bruder Hartmut nach Reutlingen, sie in die damalige Isolde-Kurz-Oberschule, er zum Friedrich-List-Gymnasium. Der Bruder studierte später Germanistik in Köln und wurde Lehrer wie sein Vater.

Ausflüge auf die Achalm

Die Schule habe ihr Spaß gemacht, erinnert sich die Schauspielerin, die 1950 Abitur machte. Schön seien vor allem die Ausflüge gewesen, etwa auf die Achalm. In Metzingen gefielen ihr vor allem die Weinberge. Gerne fuhr sie damals auch in die Kulturmetropole Stuttgart. Sie lernte einen Mann kennen, vor dem sie letztlich flüchtete: „Sozusagen bei Nacht und Nebel nach Hamburg." Dort fand sie ein Zimmer am Hafen.

Eines Tages sah die junge Frau am Rand der Reeperbahn eine Anzeige an einer Mauer wonach Tänzerinnen gesucht wurden. Ingrid van Bergen meldete sich und wurde eingestellt. "Ich bekam einen langen Rock mit Schlitz", erinnert sie sich. Für drei Tänze habe man 50 Pfennig bekommen. „Wir hatten ein Captain Girl, die Freundin des Bandleaders." Diese habe gut auf die junge Frau aufgepasst und auch dafür gesorgt, dass sie nachts sicher nach Hause kam.

Mit "Harald and Maude" in Kirchheim

In Hamburg startete die Karriere der Frau mit der markanten Stimme, die auch als Synchronsprecherin arbeitete und als Sängerin erfolgreich wurde. Nach Reutlingen und Metzingen habe sie ihr Weg nicht mehr geführt. Allerdings stattete sie Kirchheim im Jahr 2011 einen Besuch ab: Sie spielte in Bernd Gnanns Stadttheater die weibliche Hauptrolle in „Harold and Maude“.