Diskriminierung, Anfeindungen und sogar Gewalt sind für Sinti und Roma Alltag in Deutschland. Einem Bericht der neu gegründeten Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (Mia) wurden allein für das Jahr 2022 bundesweit
621 Fälle dokumentiert. Eine Befragung hat zudem ergeben, dass rund ein Drittel der Deutschen Sinti und Roma für kriminell halten. Mit der Realität hat das genauso wenig zu tun wie vermeintlich positive Zuschreibungen, etwa die, dass Sinti und Roma musikalisch seien oder wahrsagerische Fähigkeiten hätten.
Antiziganismus als Form des Rassismus, der sich speziell gegen diese ethnische Gruppe richtet, ist nicht nur hierzulande ein Problem. Laut der Europäischen Agentur für Grundrechte sind Sinti und Roma die am stärksten verfolgte Minderheit in Europa. „In den Medien und in der Politik wird das aber kaum bis gar nicht reflektiert“, beklagt Romeo Franz. Er ist der erste deutsche Sinto im Europaparlament. Seit 2018 ist er Abgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen.
Seit Jahren kämpft der 57-Jährige, der sich auch als Musiker einen Namen gemacht hat, gegen Diskriminierung und für mehr gesetzliche Teilhabe von Minderheiten. Vor allem junge Menschen möchte er aufrütteln. Sie seien der Schlüssel für eine bessere Zukunft – das hat er bei einer Diskussionsrunde auch den Schülerinnen und Schülern des Esslinger Theodor-Heuss-Gymnasiums vermittelt. „Werdet laut und wehrt euch gegen rechte Parolen, dann könnt ihr die Welt verändern“, appellierte er. „Wenn 30 Prozent eine rechte nationalistische Partei wählen, gibt es immer noch 70 Prozent, die es nicht tun. Aber die Mehrheit ist oft sehr leise, und das ist eine Wahnsinnsgefahr“, warnte er. Romeo Franz hat deshalb ein spezielles Rhetoriktraining gegen rechte Hetze entwickelt. „Parolenschwinger können entzaubert werden“, sagt er mit Überzeugung. Man müsse verstehen lernen, wie die „Mechanik der Populisten“ funktioniere.
In dem von Pauline Thym, Carla Schumann, Carla Spies und Marie Petek moderierten Gespräch in der Aula der Schule sprach er auch über Rassismus, den er als Sinto selbst erlebt hat, angefangen von der ersten Klasse, als andere Kinder ihn gezielt gemieden haben. Er berichtete davon, wie er später mit fadenscheinigen Begründungen an der Musikhochschule nicht aufgenommen wurde. Oder wie argwöhnische Nachbarn sein Baugesuch verhindern wollten. Der Einzug ins Europaparlament dagegen sei glattgelaufen, denn die grüne Partei habe ihn voll unterstützt. „Wenn jemand hinter einem steht, wenn man zusammenhält, verändert das die Situation total“, gab er den Jugendlichen mit auf den Weg.
Sorgen macht ihm der Vormarsch rechter Parteien in Europa, der werde sich auch bei den EU-Parlamentswahlen fortsetzen. Erstmals dürfen am 9. Juni in Deutschland 16-Jährige wählen. Für Romeo Franz sind diese Stimmen eine riesige Chance. „Das könnte einen Rechtsruck verhindern“, sagte er.
Gleichzeitig sei es wichtig, dass man sich mit der Nazi-Vergangenheit auseinandersetzt. Das Schicksal der Sinti und Roma, von denen 90 Prozent während des Nazi-Regimes ermordet wurden, sei lange nicht aufgearbeitet worden. Die Geschichte seiner Familie hat Romeo Franz mit Alexandra Senfft nun in dem Buch „Großonkel Pauls Geigenbogen“ aufgeschrieben, das demnächst erscheint. „Wenn man aus den Erfahrungen von damals nichts lernt, wiederholt sich Geschichte“, warnte er.

