Sicherheit
Was Kirchheim von der Wehrpflicht hält

Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs ist die Wiedereinführung der Wehrpflicht ein viel diskutiertes Thema. Doch was wollen eigentlich die Parteien, und wie denken junge Menschen aus dem Umkreis über die Idee?

55 Jahre lang bestand in Deutschland für Männer die Wehrpflicht, bis sie im Jahr 2011 ausgesetzt wurde. Symbolfoto: stock.adobe.com

Drei Jahre sind vergangen, seit russische Truppen in die Ukraine einmarschierten. Der laufende Krieg im Osten und die kontinuierlichen Drohungen Putins gegenüber Deutschland und den übrigen NATO-Staaten haben dafür gesorgt, dass die eigene Verteidigungsfähigkeit auf der Prioritätenliste nach oben gerückt ist. In der Debatte, wie die unterbesetzte Bundeswehr gestärkt werden kann, werden einige Stimmen laut, die die Wiedereinführung der Wehrpflicht oder ein abgeschwächtes Modell fordern. Doch was möchten die Parteien konkret, und was halten eigentlich junge Menschen aus Kirchheim und dem Umkreis von der Wehrpflicht?

Das sagen junge Leute

Der Idee, den verpflichtenden Wehrdienst zurückzubringen, kann die 24-jährige Laura nichts abgewinnen. Sie wirft der Regierung vor, die Drohungen Russlands nicht ernst genommen zu haben. Es sei in ihren Augen nicht tragbar, die Bürger zur Verantwortung zu ziehen und diese zum Kämpfen zu zwingen, nur weil die Regierung „zu arrogant und zu blauäugig“ auf die Drohungen reagiert habe.

Einen ähnlichen Vorschlag wie die Union liefert der 25-jährige Patrick. Er plädiert für die Einführung eines sozialen Jahres für Männer und Frauen, das auch bei der Bundeswehr absolviert werden kann. Paul (20) legt sogar noch einen drauf. Seine Idee? Anderthalb Jahre in Form von Zivil- oder Wehrdienst für Deutschland da sein. Ganz können sich junge Leute dem Wehrdienst bei seinem Modell jedoch nicht entziehen. Er erachtet eine verpflichtende dreimonatige Grundausbildung für alle als sinnvoll. Im Kriegsfall für Deutschland zu kämpfen, ist für den jungen Mann selbstverständlich: „Ich bin in diesem Land geboren", so der 20-Jährige. „Ich liebe es und bin stolz darauf.“ Es sollte seiner Meinung nach keine Frage sein, sein Heimatland, falls nötig, zu verteidigen.

Einen kritischeren Ton schlägt der 19-jährige Rafael an. Das Einzige, das er nach eigener Aussage aktuell für sein Land tue, sei, sich zu schämen. Die Wiedereinführung der Wehrpflicht fände er „sehr frech“. Sinnvoll sei ein verpflichtender Wehrdienst ausschließlich für Schulabgänger, nicht aber für Menschen mit festem Job. „Schon seit Ende der Grundschule wurde uns Kindern aufgetragen, uns unseren Karriereweg auszumalen“, so Rafael. Von Wehrpflicht sei da keine Rede gewesen. Er sehe es nicht ein, dass nun, da er sich eine Karriere aufgebaut habe, plötzlich jemand komme, der ihn zu etwas verpflichten wolle: „Das lasse ich nicht mit mir machen.“

Das wollen die Parteien

Auch im Deutschen Bundestag ist man sich uneinig darüber, welche Maßnahmen ergriffen werden sollten, um Deutschlands Truppen für den Krisenfall aufzustocken.

Während die AfD grünes Licht für die Wiedereinführung der Wehrpflicht und des Ersatzdienstes erteilt, tritt die Union für ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr ein, das mit der Wehrpflicht zusammen gedacht wird. Heißt: Junge Menschen könnten ihr Gesellschaftsjahr bei der Bundeswehr verbringen, müssten es aber nicht. Stattdessen sollen nur die Menschen, die benötigt werden, geeignet sind und Bereitschaft zeigen, tatsächlich zum Wehrdienst einberufen werden.

Ein anderer Vorschlag kommt von der SPD. Sie will einen sogenannten neuen Wehrdienst, der alle Männer ab 18 Jahren zu einer Erfassung, nicht aber zum Ableisten des Wehrdienstes verpflichten würde. Für Frauen wären alle Schritte freiwillig.

Ein klares „Nein“ für die Wehrpflicht gibt es von den Linken und dem BSW. Auch die Grünen und die FDP sprechen sich gegen die Wehrpflicht aus. Während die FDP in ihrem Wahlprogramm von einer „professionellen Freiwilligenarmee“ und der Stärkung der Truppen durch eine bessere Finanzierung und Ausstattung spricht, wollen die Grünen den freiwilligen Wehrdienst attraktiver machen. Beide Parteien haben sich eine Optimierung der Wehrerfassung zum Ziel gesetzt.

Wissenswertes zum geplanten Wehrdienst

Das Modell wurde durch Verteidigungsminister Boris Pistorius vorgestellt. Es handelt sich dabei nicht um eine Wiedereinführung der Wehrpflicht. Stattdessen sollen alle jungen Menschen erfasst und deren Eignung für den Wehrdienst geprüft werden.

Alle jungen Menschen sollen demnach an ihrem 18. Geburtstag einen QR-Code zu einem Online-Fragebogen erhalten, in dem deren persönliche Daten, Fähigkeiten und Bereitschaft zur Ableistung des Wehrdienstes abgefragt werden. Für Frauen wäre das Ausfüllen aufgrund der aktuellen Gesetzeslage freiwillig.

Besonders qualifizierte Männer könnten zu einer verpflichtenden Musterung eingeladen werden. Das Ableisten des Wehrdienstes soll allerdings für alle Menschen freiwillig bleiben.

Der Grundwehrdienst soll sechs Monate dauern, allerdings könnte der Dienst auf bis zu 23 Monate verlängert werden. Wer seinen Wehrdienst abgeleistet hat, soll im Anschluss vorerst in die Reserve grundbeordert werden.

Im ersten Jahr sollen so 5000 Kandidatinnen und Kandidaten für den Wehrdienst gewonnen werden.

Das Bundeskabinett gab den Plänen bereits am 6. November grünes Licht, jedoch fehlt noch die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat. Das Vorhaben wurde mit dem Bruch der Ampel jedoch vorerst auf Eis gelegt.