Vortrag
Was olympische Spiele mit Weilheimer Kitas zu tun haben

Basketballerin Sonja Greinacher hat in Paris Gold gewonnen und ihre Erfahrungen jetzt auf dem pädagogischen Tag mit Erzieherinnen und pädagogischen Fachkräften in Weilheim ausgetauscht. 

Basketball-Olympiasiegerin (3x3) Sonja Greinacher hielt am pädagogischen Tag in Weilheim einen Vortrag vor Erzieherinnen und Betreuerinnen und brachte auch ihre Goldmedaille mit. Foto: Thomas Zapp

Die rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des pädagogischen Tags im Gemeindehaus am Kohlesbach in Weilheim sind beeindruckt: Eine echte olympische Goldmedaille und die dazugehörige Gewinnerin sieht man nicht aller Tage aus unmittelbarer Nähe. Sonja Greinacher ist Olympiasiegerin im 3x3-Basketball und aus mehreren Gründen eine Person zum Aufschauen – nicht nur wegen ihrer Körpergröße von 1,88 Metern.

Die gebürtige Essenerin ist für den wohl wichtigsten Sieg ihrer Karriere ins Risiko gegangen. Als erfolgreiche Profisportlerin und Nationalspielerin ist sie vom klassischen Basketball nach vier Jahren in der polnischen Profiliga im Jahr 2018 in das damals völlig unbekannte 3x3 (sprich „drei iks drei“) zu wechseln. Dabei spielen zwei Dreierteams auf einen Korb, die Spieldauer beträgt nur zehn Minuten. „Ich hatte meine vierte Saison als Profispielerin in Polen gespielt, es war immer das Gleiche, man kannte mittlerweile fast jedes Hotel. Das war die perfekte Challenge, um dieser Monotonie zu entfliehen“, erzählt die 32-Jährige. „Ich hatte mich in die Disziplin verliebt, es war eine Herzensangelegenheit.“

Dafür verzichtete sie auch auf ein Drittel ihres gewohnten Gehalts und nahm weniger Privilegien in Kauf. Mit völlig offenem Ausgang: In dem ausgeglichenen Teilnehmerfeld war der Sieg alles andere als ausgemacht.  Allein die Qualifikation für das Turnier verlief hauchdünn. Der entscheidende Wurf ihrer Teamkameradin Svenja Brunckhorst wird auf Video eingespielt: „Den hat sie vorher von derselben Stelle 40, 50 Mal gemacht“, erzählt sie. Trainer Samir Suliman ist auf dem Video zu sehen, wie er schon während des Wurfes jubelt und weiß, dass der Ball reingeht. 

Die Einspielfilme im Saal des Gemeindehauses machen Eindruck, doch die Spitzensportlerin bietet allen gleich das „du“ an und geht auf Augenhöhe. „Vor dem Beruf der Erzieherin habe ich höchsten Respekt“, sagt sie. Allein das Thema Lautstärke sei eine Herausforderung und dann habe man eine große Verantwortung, schließlich erziehe man Kinder anderer Leute. „Es gibt viele Parallelen zwischen Sport und Berufswelt“, sagt sie. Man arbeite in einem Team von drei, vier oder fünf Leuten zusammen, muss mit Rückschlägen umgehen und zwischenmenschlichen Konflikten.

 

Es bringt nichts, dass man im Team Leader hat, wenn keiner folgen will.

Sonja Greinacher


Im Sport habe man eine große Eigenverantwortung, wenn man ganz oben dabei sein will. „Man geht wie alle zum Training, muss aber bereit sein, das Stück extra zu gehen“, sagt sie. Und dennoch klappt nicht immer alles, wie der Wurf in der Qualifikation. „Kontrollieren, was man kontrollieren kann, den Rest gehen lassen.“ Was man nicht tun sollte: Warten, dass andere sich ändern.

Sie selbst hat erlebt, wie ein Trainer in Polen sie gemobbt hat. „Vor versammelter Mannschaft hat er mir gesagt, dass ich eine Pussi bin und scheiße spiele“, erinnert sie sich. Damals war sie Anfang 20 und dachte, dass das normal sei. „Aber meine Teamkolleginnen sagten, dass es das nicht ist.“ Für sich selbst hat sie gelernt: „Ich lasse mich nie wieder so behandeln.“ Wichtig sei: „Selbstwert von sportlicher Leistung trennen. Man darf sich nicht zu sehr über seinen Beruf identifizieren“, sagt sie. Den Trainer konnte sie nicht ändern, er ist heute noch aktiv.

„Was macht eine gute pädagogische Fachkraft aus?“, fragt die Profisportlerin in die Runde. „Gute Nerven, Geduld“, kommt zur Antwort. „Das glaube ich!“, sagt sie spontan. Daher sei es wichtig, den Spagat zwischen Teamwork und Selbstfürsorge zu schaffen. Bei ihr helfe Spazierengehen, um vor einem wichtigen Spiele herunterzukommen. „Das ist aber typabhängig. Andere trinken zwei Espressi, um richtig auf Touren zu kommen.“ Auch wichtig sei, sich Stärken bewusst zu machen und nicht versuchen, jemand anderes zu sein. „Ich muss nicht alles gut können.“

„Angst ist ein Leistungskiller“

So habe auch ihre Mannschaft funktioniert, jede der insgesamt vier Spielerinnen hatte ihre individuellen Stärken. Die kannte der Trainer: „Samir hat diese Atmos-phäre geschaffen, obwohl er vielleicht nicht das beste Basketballwissen hat.“ Das Team schaffte es dadurch, nicht daran zu denken, bei dieser einmaligen Chance zu versagen. „Angst ist ein Leistungskiller. Sie wird kleiner, wenn wir kontrollieren, was wir kontrollieren können“. Da ist es wieder, ihr Credo, das sich so gut auf die Berufswelt übertragen lässt. Diese Gelassenheit hat dem deutschen Team geholfen. Gastgeber Frankreich, in sämtlichen Spielen der vorolympischen Serie ungeschlagen, flatterten vor heimischem Publikum die Nerven. Das entscheidende Spiel verlor Frankreich gegen Deutschland und schied in der Vorrunde aus. 

Weilheims pädagogischer Leiter Julian Schacher hat es zu Beginn des Vortrags betont: „Es geht um die Teamkomponente, Eigenverantwortung und Selbstdisziplin.“ All das hat seine Referentin Sonja Greinacher beherzigt und sich damit einen Lebenstraum erfüllt. 

Für die 32-Jährige war der Olympiasieg auch ein sehr persönlicher Triumph. Denn nach einem Handbruch in der Vorbereitung riet ihr ein Arzt dringend zu einer Operation, die das Aus für Paris bedeutet hätte. Die Sportlerin holte sich eine zweite Meinung und spielte auf eigenes Risiko mit dem verletzten Hand. Diese Eigenverantwortung übernahm sie gern.