Weilheim · Lenningen · Umland
Was passiert mit dem Gemeindehaus?

Immobilien Am Montagabend haben ­zahlreiche Bürgerinnen und Bürger in Unterlenningen über die Zukunft des Kirchen­gebäudes diskutiert. Von Sylvia Horlebein

Die Ulrichskirche in Unterlenningen ist besser gefüllt als an den Sonntagen. Genau das ist das Problem. Schwindende Mitgliederzahlen und fehlende Steuereinnahmen zwingen die evangelische Kirche dazu, Gebäude abzustoßen. Darum sitzen um 19.30 Uhr dicht gedrängt die Mitglieder der Julius-von-Jan-Kirchengemeinde in den Kirchenbänken. Die Gemeindeversammlung hat nur ein Thema: das Immobilienkonzept und das Schicksal des Unterlenninger Gemeindehauses.

Selbst die Empore ist besetzt. Ein Anblick, der den Abgesandten des Kirchengemeinderats, des Oberkirchenrats, dem Dekan und dem Pfarrer gut gefällt. Er macht ihnen deutlich, wie sehr das Thema die Menschen im Lenninger Tal beschäftigt. Sie wollen Antworten. Wird das Gemeindehaus verkauft? Warum steht das zur Diskussion, ist doch gerade das Unterlenninger Gemeindehaus stark frequentiert. Täglich ist dort etwas los und die Angebote sprechen alle Altersgruppen an. Auch das Büro von Jugendreferent Jürgen Braun ist dort. Das sorgt für Unverständnis und Unmut, den sich die Besucher von der Seele sprechen wollen. „So viele Füße gehen durch keine Kirche wie durch unser Gemeindehaus!“ „Warum verkaufen wir nicht die Kirche?“ „Warum soll ausgerechnet das Gemeindehaus in Oberlenningen erhalten bleiben?“ „Wo sollen die ganzen Gruppen hin?“

Die Fragen sind vielfältig, zeigen aber deutlich, dass die Mehrheit in der Kirche das Gemeindehaus erhalten möchte. Pfarrer Dirk Schmidt hat die Antworten, doch bevor er überhaupt zu sprechen beginnt, sind andere dran. Martina Eberle, 1. Vorsitzende des Kirchengemeinderates, verweist auf Bibelstellen und das Leitbild. Andreas Wieland (Gutenberg) und Jörg Schmid (Unterlenningen), ebenfalls vom Kirchengemeinde­rat, bringen auch keine neuen Erkenntnisse. Schmid bekommt aber große Zustimmung, weil er die Verlustängste versteht und sogar selbst verspürt. Auch sein Unverständnis über die Vorgehensweise sorgt für Nicken im Publikum und spontanen Applaus. Ihm ist völlig schleierhaft, warum die Kirche nicht das Gespräch mit den Nutzern gesucht hat.

Das evangelische Gemeindehaus in Unterlenningen war Thema am Montagabend. Die Gemeindemitglieder sehen es nicht gerne, dass sich die Kirche von der Immobilie trennen möchte. Foto: Tobias Tropper

Mit Jan Sebastian Hermann vom Oberkirchenrat steht ein Mann am Mikrofon, von dem Antworten erwartet werden. Doch er liefert nur Rechtfertigungen und rote Zahlen. Viel zu kleine Folien werden an die Wand projiziert und lassen weitere Fragen entstehen. Sieht es so schlecht mit dem Gemeindehaus aus? Was bedeuten die roten Zahlen? Es gibt Wortmeldungen dazu, und Hermann erkennt, dass diese Folien nicht den gewünschten Effekt haben. Die vielen negativen Punkte zu Nutzung, Standort und auch Technik betreffen gar nicht Unterlenningen, sie sind Beispiele. Beispiele, die den Menschen vor Ort nicht helfen. Sie können nicht verstehen, was Hermann da anbringt. Dass Oikos, eine Strategie zur aktiven Immobilienentwicklung in den Gemeinden, in Reutlingen schon gut umgesetzt wurde, sorgt für Unruhe. Es will keiner hören, wo es gut gelaufen ist. Die Menschen wollen die Sicherheit erhalten, dass sie weiterhin einen Ort haben, der für alle einen Treffpunkt darstellt.

Gisela Schmidt findet es gar nicht gut, dass von Steuergeldern Moscheen und Synagogen geschützt werden. Ihrer Meinung nach sollten die dazu verwendet werden, das Gemeindehaus zu retten. Die Aussage spaltet, und Hermann sieht sich in der Pflicht, hier klärend einzugreifen. Es gehe nicht um Steuergelder, es gehe um das Pflichtziel, bis 2040 als Kirche klimaneutral zu sein. Es gehe um den Wegfall von Geldern. Das mache es unmöglich, alle Gebäude zu halten.

Die ausgefallene Heizung liefert ihm das passende Beispiel. Wenn das Immobilienkonzept nicht umgesetzt wird, dann sitzen zukünftig die Gläubigen eben in kalten Kirchen und müssen sich in Decken einwickeln, weil die Heizung nicht repariert werden darf.

Kirche soll nicht verkauft werden

„Dann lasst uns doch die Kirche verkaufen!“ Nicht nur einmal wird dieser Vorschlag gemacht, schließlich braucht nicht jeder Ort eine Kirche. Doch Dirk Schmidt macht deutlich, dass diese Option nicht zur Wahl steht. Zuerst wartet die Kirchengemeinde auf das Resultat der Machbarkeitsstudie zum Umbau der Ulrichskirche.

Noch dieses Jahr wird das Ergebnis von Professor Henning Baurmann aus Karlsruhe erwartet. Schmidt sieht dem optimistisch entgegen und hofft darauf, dass sich die Menschen an die neue Situation gewöhnen werden. Die Anmerkung aus dem Publikum, dass die Entscheidung für den Verkauf weitere Kirchenmitglieder kos­ten könnte, lässt er unkommentiert. Stattdessen muss er um 22 Uhr den Abend zum Abschluss bringen. Dekan Christian Tsalos spricht den Segen und bietet das Gebet an, für eine gute Lösung für alle.

Bedürfnisse und Sorgen der Menschen nicht gesehen

Informationen Pfarrer Dirk Schmidt muss bei der Gemeindeversammlung einräumen, dass bei der Informationspolitik ein Fehler unterlaufen ist. Dass es bereits in der jüngsten Kirchengemeinderatssitzung um das wichtige Thema ging, wussten die Menschen nicht, weil die Tagesordnung nicht veröffentlicht worden war. Ein Gebäude, das für viele Menschen ein fester Bestandteil ihres gesellschaftlichen Lebens darstellt, soll verkauft werden. Es gibt Sitzungen dazu, aber nur wenige wissen es. In der Zukunft werde das besser laufen, versichert Schmidt. Zukünftig sollen diese Informationen nicht nur im Amtsblatt, sondern auch auf der Homepage stehen.
Kompromiss Pfarrer Schmidt wünscht sich Offenheit für den Punkt „unterwegs bleiben“ im Leitbild. Er stellt klar, dass es nicht darum gehe, dass jemand gewinnt oder verliert. Es werde weiterhin ein Gemeindehaus geben, aber in Oberlenningen. Es werde nach Möglichkeiten gesucht, alle Gruppen gut unterzubringen. Keiner werde vergessen, und auch wenn es schon einen Kaufinteressenten für das Gemeindehaus gibt, werde es nicht sofort verkauft. Die rumänisch-orthodoxe Gemeinde habe zwar großes Interesse, wäre aber auch erst einmal mit einem Mietvertrag einverstanden und könnte sich sogar eine gemeinsame Nutzung vorstellen. syho