Sachlichkeit war Trumpf bei der Diskussion um den regionalen Gewerbeschwerpunkt Hungerberg, zu der die Gemeinde Dettingen in die Schlossberghalle und per Livestream vor die Bildschirme geladen hatte. Es ging um das Spannungsverhältnis zwischen Naturschutz einerseits und der Ansiedlung zukunftsträchtiger Technologien andererseits. „Meine Definition der Zukunft heißt, behutsam mit dem umzugehen, was man hat, um es zu bewahren“, stellte ein Zuhörer fest und meinte damit die landwirtschaftlich genutzten Flächen, die am Hungerberg zur Debatte stehen. Das Gebiet liegt südlich der Autobahn auf Dettinger Gemarkung, zwischen Jauchertbach und Gießnaubach.
Kein maßloses Wachstum
„Bewahren, was man hat“: Darauf bezogen sich beim Bürgerdialog auch die Experten, die Dettingens Bürgermeister Rainer Haußmann zur Seite standen. Nachhaltigkeit beziehe sich nicht nur auf die Ökologie, also auf die Natur und auf die Flächennutzung. Es gebe auch eine ökonomische und eine soziale Nachhaltigkeit. Dafür wiederum brauche es Arbeitsplätze, die dazu beitragen, das Wohlstandsniveau zu halten. Es gehe beim interkommunalen Gewerbegebiet Hungerberg keinesfalls um maßloses Wachstum. Wichtig sei deshalb auch, dass es nur für zukunftsträchtige Branchen zur Verfügung stehen soll - etwa für die Produktion von Brennstoffzellenfahrzeugen, keinesfalls aber für das Logistikzentrum eines großen Versandhändlers.
Zu den Flächengrößen sagte Rainer Haußmann: „Für den Flächennutzungsplan haben wir ein Gebiet von 42 Hektar vorgesehen. Das heißt aber nicht, dass diese 42 Hektar auch zwingend bebaut werden.“ Konkret gehe es um zehn bis 20 Hektar, die direkt an der Autobahn liegen. Ein Teil dieser maximal 20 Hektar sei derzeit von der Bahnbaustelle belegt und stelle somit ohnehin keine ökologisch wertvolle Fläche dar.
Mit im Boot sitzen beim Gewerbeschwerpunkt Hungerberg die drei Kommunen der Verwaltungsgemeinschaft - Dettingen, Kirchheim und Notzingen - sowie der Verband Region Stuttgart, in dem insgesamt 179 Kommunen vertreten sind. Warum dieser Standort ausgerechnet auf Dettinger Gemarkung entstehen soll? Bürgermeister Haußmann erklärt: „Eine Analyse hat ergeben, dass bei uns, im südöstlichen Industriekernbereich der Region ein Standort für Zukunftstechnologie an der A 8 fehlt. Von allen möglichen Standorten sieht die Region den Hungerberg als die Nummer eins.“
Bedenken gegen den Standort könnte es wegen der Veränderung der Kaltluftströme geben. Der Klimaexperte Dr. Christian Geißler hat das untersucht und kommt zu dem Ergebnis: „Der Jauchertbach im Westen ist ganz wichtig, um die Kaltluftströme abzuführen - noch wichtiger als der Gießnaubach im Osten.“ Die beiden Bachtäler sollten also unangetastet bleiben. Der Höhenzug des Hungerbergs ist für die Luftströme nur insofern wichtig, als eine landwirtschaftlich genutzte Fläche ihrerseits Kaltluft produziert. Das ließe sich durch entsprechende Begrünungsauflagen im Bebauungsplan kompensieren. Wichtig sei auch, die künftige Bebauung stromlinienförmig zu gestalten, um der Luft möglichst wenig Widerstand in den Weg zu stellen.
Würden die möglichen Produktionsgebäude parallel zur Autobahn und zur ICE-Trasse gebaut werden, stünden sie den Luftströmen im Weg. Geeignet wären dagegen Gebäude, die parallel an den Luftströmen ausgerichtet sind. Auf der Uhr würde das bedeuten, dass sie von „11 Uhr“ in Nordnordwest nach „5 Uhr“ in Südsüdost verlaufen müssten. Für Rainer Haußmann ist das eine bedeutende Erkenntnis: „Wäre der Kaltluftstrom unterbrochen, wäre das ein Ausschlusskriterium für das Projekt.“
Ein weiteres wichtiges Umweltthema ist der Artenschutz. Hierzu nahm Professor Dr. Christian Küpfer beim Bürgerdialog Stellung. Ergebnis: Zauneidechsen wurden im Hauptgebiet nicht gesichtet, dafür aber Feldlerchen. Diese müssten Alternativen erhalten - am besten auf Blühflächen in der Umgebung. Neue Blühflächen wiederum hätten Vorteile für die Insektenvielfalt. Mit entsprechenden Zuschüssen für Blühflächen lasse sich zugleich der Landwirtschaft helfen.
Sollte das regionale Gewerbegebiet in einen Bebauungsplan gefasst werden, ist vorgesehen, im Jahr 2023 ein baureif erschlossenes Gelände anzubieten - welchem konkreten Nutzer auch immer.