Die Reaktion passt in zwei Koffer. Prall gefüllt mit Strategiepapieren, die den Landrat auch schon mal auf Reisen begleiten. Einsatzpläne, Richtlinien, skizzierte Kommunikationswege – alles, was man im Ernstfall braucht, um schnell reagieren zu können. Als der Klimawandel noch als Lieblingsthema grüner Spinner galt, der Kalte Krieg auf lange Sicht befriedet schien, war Katastrophenschutz ein Thema unter Experten. Jetzt häufen sich die Krisenlagen und nicht nur Politiker fragen sich: Sind wir ausreichend gewappnet?
Die Frage hat nach der Flutkastrophe im Ahrtal, wo im vergangenen Juli Alarmpläne und Meldeketten kaum funktionierten, nicht nur den Landtag beschäftigt. Auch im Kreisparlament hakt man nach. Die Antwort ist zweigeteilt: Die Arbeitsfähigkeit des Verwaltungsstabs im Landratsamt und der im Katastrophen- und Zivilschutz tätigen Organisationen sei dauerhaft sichergestellt, betont Landrat
bisher nicht vorstellen konnten.
Bestes Beispiel: die Corona-Pandemie, die auch im dritten Jahr die Stabsstellen auf Trab hält und nach wie vor diesen Status hat. Davor war es die Flüchtlingskrise, die ab 2014 vier Jahre lang Verwaltungen und Hilfsorganisationen in Atem hielt. Mit Beginn des Ukraine-Krieges stehen Landkreise und Kommunen nun erneut vor einer Herausforderung, von der Eininger annimmt, dass sie die Dimension der Ereignisse vor Jahren sprengen könnte. Von den Gefahren einer militärischen Verwicklung ganz zu schweigen. Der Ausnahmezustand bekommt ein anderes Gesicht. „Darunter fallen Dinge,“ sagt Eininger, „die wir uns bisher nicht vorstellen konnten.“ Größte Sorge: Dass sich Krisen überlagern. Die SPD-Kreistagsabgeordnete Sabine Fohler warnt deshalb davor, Krisenszenarien nur eindimensional durchzuspielen. „Doppel-Lagen“ seien in Zukunft häufiger zu erwarten. Für den Kirchheimer Bürgermeister Günter Riemer (Freie Wähler) liegt der Schlüssel in einer „robusten technischen Infrastruktur.“
Die sollen insgesamt 14 Einheiten mit mehr als 200 Einsatzkräften bieten, die sich im Kreis dauerhaft für den Katastrophenfall bereithalten und im Ernstfall in Kürze verdoppelt werden könnten. Sie teilen sich Aufgaben wie medizinische Versorgung, Brandbekämpfung, Schutz vor Hochwasser oder die Beseitigung biologischer und chemischer Gefahren und werden mindestens einmal im Jahr mit einem nicht angekündigten Übungs-Szenario konfrontiert. Gesonderte Einsatzpläne gibt es für Stromversorger, eine Reihe von Industriebetrieben entlang des Neckars – darunter auch der Plochinger Hafen – oder für den Landesflughafen, der ebenfalls auf Kreisgebiet liegt. Auch für den Teil der militärischen Fernleitung – der sogenannten Nato-Pipeline – die sich über ganz Europa erstreckt und zwischen Tübingen und Aalen auch durch Kreisgebiet verläuft, werden Gefahrenabwehrpläne regelmäßig aktualisiert. Das Leitungsnetz versorgt im Wesentlichen Luftwaffenstützpunkte im Westen Deutschlands mit Treibstoff. Der Kreis ist zudem eingebunden in den Alarmplan des Kernkraftwerks in Neckarwestheim, wo ein Reaktorblock noch bis Jahresende am Netz sein wird. In den Kreiskrankenhäusern sollen Notstromaggregate garantieren, dass die klinische Versorgung zumindest für mehrere Tage auch ohne Regelversorgung weiterlaufen kann.
Ein Szenario wie bei der Flutkatastrophe im Ahrtal mit 135 Toten und annähernd 800 Verletzten ist hier im Kreis zwar schwer vorstellbar. Dennoch lagern im ehemaligen Munitionsdepot im Tiefenbachtal bei Beuren 75 000 Sandsäcke, 5 000 davon bereits befüllt.
Die Rückkehr der Sirenen
Dass Warn-Apps wie Nina oder Katwarn keine Garantie bieten, wenn die Bevölkerung schnell informiert werden muss, ist eine Lehre aus der Flutkatastrophe im vergangenen Jahr. Sie beschert einer Einrichtung, die nach dem Ende des Kalten Krieges als technisch überholt und überflüssig galt, nun eine Rennaisance: der heulenden Sirene. Vor drei Jahrzehnten wurden sie im großen Stil abgebaut. Ihre Aufgabe haben digitale Alarmsender der Feuerwehren übernommmen. Heute verfügen nur noch 16 der 44 Kreiskommunen über eine oder mehrere funktionierende Sirenen. Spitzenreiter ist Filderstadt mit elf solcher Warnanlagen.
Ein Förderprogramm vom Bund soll die Sirenen nun zurückbringen. Seit Dezember flossen rund drei Millionen Euro an Städte und Gemeinden im Regierungsbezirk Stuttgart, darunter auch vier Kreiskommunen. Bissingen mit der Teilgemeinde Ochsenwang erhielt für drei Anlagen 32 550 Euro. bk