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Weilheimer Schüler stimmen für Sicherheit und die „Dönerpreisgrenze“

Politik „Du bist Demokratie“: Unter diesem Motto ist der KJR an Schulen und Jugendeinrichtungen im Landkreis unterwegs. Ein Besuch bei seinem Stopp in Weilheim. Von Thomas Zapp

Die Schulleiter Andre-Michael Knaus (l., Stellvertreter) und Robin Fehmer und Jugendtreff-Leiterin Evelyn Dobberke freuen sich über den Besuch der fünf Teamer Federico, Jannik, Dana, Anna und Amelie sowie Henrik Blaich vom KJR.  Foto: Markus Brändli

Die „Wall of Fame and Shame“ – die „Wand des Ruhmes und der Schande“ – klebt schnell voller Zettel, auf beiden Seiten. Die Lage an der Limburg, die vielen Vereine, den Jugendtreff und die Einkaufsmöglichkeiten in Weilheim wissen die Schülerinnen und Schüler der Weilheimer Real- und Werkrealschule zu schätzen. Der Bikepark wurde auf beiden Lis­ten genannt: Hier finden manche Jugendliche, er müsste mal wieder „in Schuss“ gebracht werden. Auch die Schule könnte nach Meinung der Teenager eine Modernisierung vertragen, von neuen Fenstern bis zum guten Internet. „Ein Thema war auch, dass sich die Jugendlichen gute Integrationsmöglichkeiten

 

Man muss sich mehr Gedanken um die Demokratie machen als 2019.
Henrik Blaich vom KJR Esslingen
 


für Flüchtlinge wünschen und dass keine Ausgrenzung stattfindet“, sagt Evelyn Dobberke, beim Kreisjugendring für Kompetenzförderung zuständig und Leiterin des Weilheimer Jugendtreffs.

Die Schülerinnen und Schüler an der Weilheimer Realschule haben eine klare Vorstellung davon, was in ihrem Umfeld gut läuft und was weniger. Nur wo genau die politischen Entscheidungen getroffen werden, die ihr Leben beeinflussen, das ist für viele noch Neuland. Genau deswegen ist der Citroën des KJR auf das Schulgelände gekommen.

„Du bist Demokratie“, hat sich das Mobil auf die Fahnen geschrieben, aber wichtiger ist das Team: Hier erklären nicht die „Großen den Kleinen“ die Politik, sondern freiwillige Teamerinnen und Teamer, die kaum älter als ihr Publikum sind. In Weilheim sind sie zwischen 15 und 23 Jahre alt und heißen Anna, Jannik, Federico, Amelie und Dana.

Bei ihrem bislang dritten Einsatz haben sie festgestellt, dass die Schülerinnen und Schüler eher über die Europawahl Bescheid wissen als über die drei regionalen Gremien. Die Kommunalwahl wurde dann erst interessant, als man einige Kandidatinnen und Kandidaten erkannte, etwa weil sie Eltern von Schülern waren. Aber: „Das Maß an Desinformation hat manchmal überrascht. Wenn etwa die Einwohnerzahl der EU auf 24 Millionen geschätzt wird“, sagt Amelie. Richtig wären 448 Millionen Menschen gewesen – aber welche erwachsenen Wählerinnen und Wähler wissen das?

Von extrem rechten Einstellungen unter den Jugendlichen hat aber keiner der Teamer etwas gemerkt. Dabei ist AfD sehr präsent auf Tiktok, Instagram und Co und daher auch bei den Jugendlichen präsent. „Wir stellen aber weniger Zustimmung zur AfD fest, sondern eher, dass sie es hinterfragen“, sagt Evelyn Dobberke. So seien gerade unter Schülerinnen mit Migrationshintergrund Ängste wach geworden, als es darum ging, dass Nichtdeutsche das Land verlassen sollen. Positiv findet sie aber, dass nicht nur viel konsumiert, sondern auch viel hinterfragt wird.

Dass die AfD in den sozialen Netzwerken deutlich erfolgreicher ist als die alteingesessenen Parteien, wundert Henrik Blaich nicht. Der Mann mit der Schirmmütze ist Fachbereichsleiter für Jugendverbandsarbeit im KJR und einer der Köpfe hinter dem Demokratie-Mobil. „Populismus lässt sich auf Social Media viel besser verkaufen als seriöse Anliegen“, sagt er. Blaich glaubt, dass man sich derzeit „mehr Gedanken um die Demokratie machen muss als 2019“. Deshalb habe man für die Tour das Motto „Du bist Demokratie“ gewählt. Auf die Neunt- und Zehntklässler der Realschule sowie Acht- und Neuntklässler der Werkrealschule am Bildungszentrum, die das Mobil besuchen, trifft das zum Teil ganz besonders zu: Bei der Europawahl liegt das Mindestwahlalter erstmalig bei 16.

 

Einer sieht seine Zukunft in der Politik

Und was macht eigentlich ein Gemeinderat? Auch solche Dinge haben sie erklärt. 
„Mehr Sicherheit, mehr Akzeptanz von Ausländern und die Dönerpreisgrenze wurden genannt“, sagt Federico schmunzelnd über die Themen, die in seinen Gesprächen genannt wurden. Der Preis des Kultimbisses sei theoretisch sogar regulierbar, aber sehr kompliziert. Dennoch ist ihm um die Demokratie nicht bange, und Jannik sieht sogar seine berufliche Zukunft in der Politik. „Es geht darum, sich nicht nur zu beklagen, sondern sich auch einzusetzen“, sagt der 17-Jährige. 

„Kann ich Dinge akzeptieren, obwohl sie nicht 100-prozentig mit meiner Einstellung übereinstimmen, vielleicht nur zu 70 Prozent?“, meint Henrik Blaich. Dass Demokratie immer auf Kompromissen beruht, das sieht er als wichtige Message an die Jugendlichen. Die Meinung der anderen zu ertragen, gehöre dazu, allerdings nimmt er extrem rechte Positionen heraus: „Wer menschenverachtende Positionen in seinen Reihen zulässt, hat sich außerhalb des demokratischen Spektrums gestellt.“ Sein Wunsch für die Gemeinderäte wäre, dass sie sich verjüngen. „Aber dafür müssten sich die Abläufe grundlegend ändern.“ Lange Sitzungen bis nach Mitternacht halten nicht nur junge Menschen, sondern auch junge Familienväter und -mütter davon ab, sich zu engagieren. 

 Am Ende werden die Teamerinnen und Teamer von den kaum jüngeren Schülerinnen und Schülern bewertet. Fazit: überwiegend positiv. Auch die „Wall of Fame and Shame“ wird nochmal zum Einsatz kommen. „Wir haben sie in Weilheim behalten, um sie dem neu gewählten Gemeinderat zu gegebener Zeit vorstellen zu können“, freut sich Evelyn Dobberke.

Info: Das Mobil macht bis zum 8. Juni noch 24 Mal Station im Landkreis, darunter an der Realschule Neuffen am 7. Juni, am neuen Bikepark Beu­ren am 8. Juni von 13.30 bis 17 Uhr und zum Schluss bei der Musiknacht in der Linde Kirchheim von 18 bis 23 Uhr.