Weilheim und Umgebung
Weilheimer Start-up bietet dem Zucker Paroli

Start-up Mit „Kernique“ möchten Marcel Fortwingel und Katja Großmann durchstarten. Der bio-vegane Snack soll durch Crowdfunding finanziert werden. Von Sabine Ackermann

Es ist schon ziemlich provokant, wenn demnächst eine Snack-Tüte namens „Kernique“ mit dem aussagekräftigen Zusatz „Kein Riegel“ zwischen Selbigen jeglicher Couleur im Supermarktregal steht. Auf den Weg gebracht haben den nussigen Snack, der sich aus den Wörtern „Kern“ und „unique“, dem englischen Begriff für „einzigartig“, zusammensetzt, zwei junge Gründer, die in Weilheim wohnen.

Hinter dem Start-up stecken Nuss-Cubes, kleine Würfel, die Marcel Fortwingel und Katja Großmann am eigenen Herd kreiert haben. Doch wie kam es dazu? Es war im April 2013, als sich der 31-jährige Soziologe aus Göppingen und die ein Jahr jüngere Grafikdesignerin aus Karlsruhe auf dem Cannstatter Frühlingsfest kennen- und lieben lernten. Gutes Gehalt, geregelte Arbeitszeiten, Urlaub – nachdem beide ihr Studium im Februar 2018 abgeschlossen hatten, hatten sie genaue Vorstellungen von der Zukunft. Wenige Monate später, mittendrin in ihrer Ideenfindungsphase, stellten sie fest: „Unsere Leidenschaft für gesunde Ernährung und der Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben sind für uns wichtiger als der Job.“ Ihr Weg in die Zukunft begann Weihnachten 2018 mit einem „selbstgebackenen veganen zuckerfreien Nuss-äh-Keks-Etwas“, den sie Family und Freunden präsentierten. Das Ergebnis dieses Tests: „Am Prototyp muss noch einiges optimiert werden.“

 

Gesundheit und Ernährung gehören zusammen.
Marcel Fortwingel
begann nach einer persönlichen Diagnose,
​​​​an Snacks ohne Zucker zu arbeiten.
 

Seit seiner Diagnose Typ 1 Dia­betes im April 2003 befasst sich der Göppinger Marcel Fortwingel mit gesunder und zuckerarmer Ernährung. „Diese Autoimmunerkrankung hat uns gezeigt, dass Gesundheit und Ernährung zusammengehören“, machen er und Katja Großmann deutlich. „Und: Daraus hat sich unsere Leidenschaft entwickelt: Gesundheit ohne Verzicht.“ Beide glauben fest daran, dass es nicht immer eine große Technologie braucht, um etwas zu bewegen. Er, der Denker, möchte Veränderungen anstoßen, immer wieder neue Wege gehen – auch beim Snacken. Sie, die Kreative, will ihren Ideenreichtum nicht nur grafisch, sondern auch kulinarisch ausleben. „Ich glaube, bei uns macht’s die Mischung aus“, beschreibt die 30-Jährige ihre perfekt funktionierende Teamarbeit. Von der Produktentwicklung bis zu den grafischen Themen, Marketing und Website ist alles selbstgemacht, erzählt sie, und Marcel Fortwingel bestätigt: „Wenn man eine persönliche Leidenschaft für etwas hat, lernt man auch ganz viel an Fachkompetenz dazu.“

Produkt kommt ohne Zucker aus

Weiter experimentiert wurde in ihrer heimischen Küche in Weilheim, in der sie unterschiedliche Rezepturen ausprobierten und sich kompromisslos an ihre Zutatenliste hielten. Heraus kam ein bio-veganer Snack auf Basis unterschiedlicher Nusssorten, der auf Palmöl, Soja, Geschmacksverstärker, künstliche Zusatzstoffe und Allergene, wie Gluten und Laktose, verzichtet und sich für ökologische und soziale Nachhaltigkeit einsetzt. Zur Süße verwenden sie den pflanzlichen Wirkstoff Inulin sowie das aus Getreide oder Gemüse gewonnene Erythrit, das aufgrund seines glykämischen Index von Null den Blutzuckerspiegel nicht steigen lässt. „Was die Nuss-Cubes einzigartig macht, ist der Umstand, dass wir auf jegliche Form von Zucker verzichten“, betont Katja Großmann, und Marcel Fortwingel ergänzt: „Dadurch spendet der Snack langfristig Energie, ohne den Blutzuckerspiegel zu beeinflussen.“ Was einfach klingt, sollte dennoch eineinhalb Jahre dauern. „Vom Fitness-Studio-Pumper bis zum Anzugträger ließen wir jeden, der uns über den Weg lief, unseren Snack auf Herz und Nieren prüfen“, berichten sie von ihrer Testphase. Im Februar 2020 war es dann so weit: Das Paar meldete sein Start-up an.

Aktuell gibt es drei Sorten: zweimal süß, entweder auf Schoko- oder Kokos-Basis, und einmal herzhaft mit italienischen Kräutern und getrockneten Tomaten. „Unser Anspruch ist es, Nüssen ein komplettes Makeover zu verpassen und ihre zahlreichen gesundheitlichen Vorteile mit einer echten Geschmacksexplosion zu verbinden“, so die beiden Gründer. Nachhaltigkeit und CO2-Neutralität in der Herstellung sowie die lokale Förderung von Bildung und Nachwuchs sind weitere Unternehmensziele, die ganz oben auf ihrer Prioritätenliste stehen: „Mit jedem verkauften Snack werden Projekte zur Ernährungsbildung in regionalen Kitas und Schulen unterstützt. Dabei lernen Kinder, wie viel Spaß der eigene Anbau von Gemüse macht, und erfahren, wie Ernährung mit unserer Gesundheit und Umwelt zusammenhängt“, erklären Marcel Fortwingel und Katja Großmann.

 

Crowdfunding-Aktion läuft noch bis Freitag

Im Juli 2020 nahmen Katja Großmann und Marcel Fortwingel beim Start-up-Wettbewerb „ASAP Baden-Württemberg“ teil. Zum Teil der Veranstaltung gehörte, dass die Teilnehmer in 90 Sekunden ihre Ideen pitchen, also überzeugend vorstellen. Die beiden Snack-Erfinder holten sich den Sieg in der Kategorie „Best Pitch Award“.

Im Winter des selben Jahres wurde Kernique ein Teil des Wirkungsschaffer-Stipendiums des Social Impact Labs Stuttgart. Das Stipendium unterstützt Start-ups, die eine nachhaltige Geschäftsidee verfolgen. Die Stipendiaten werden beratend unterstützt und können Zugang zu Netz­werken und möglichen Investoren erhalten.

Mitte Januar haben Katja Großmann und Marcel Fortwingel eine Crowdfunding-Aktion gestartet. Noch bis einschließlich Freitag, 25. Februar, kann gespendet werden. Sie hoffen auf 24 000 Euro. Mit dieser Summe werden die ersten drei Sorten nach Bio-Standards produziert. Nicht einmal 2000 Euro fehlen bis zum Ziel. ack