Andrea Rau knüpft. Ob im Wartezimmer beim Arzt, bei Verschnaufpausen auf Wanderungen oder auf dem Beifahrersitz im Auto – überall schafft sie kleine Makramee-Schmuckstücke. Von den rustikalen Wandbehängen, braun-beigen Blumenampeln und Knoten-Eulen, die in den siebziger Jahren schwer in Mode waren, sind ihre Arbeiten aber weit entfernt. Stattdessen entwirft, fertigt und verkauft die Wahl-Weilheimerin filigrane Ohrhänger, modische Ringe und elegante Ketten in den verschiedensten Farben, Formen und Stilrichtungen.
„Schon als Kind habe ich fleißig geknüpft“, erzählt Andrea Rau. Als die orientalische Handarbeitstechnik vor einigen Jahren eine Renaissance erlebte, entdeckte auch Andrea Rau sie ebenfalls für sich wieder. Seitdem ist sie der Makramee-Kunst regelrecht verfallen. „Das ist wie ein Virus“, sagt sie schmunzelnd und räumt ein: „Für Textil-Viren war ich schon immer anfällig.“ Das kommt nicht von ungefähr. „Meine Mutter war genauso“, erzählt Andrea Rau. Sie brachte ihr nicht nur Makramee, sondern auch viele andere Handarbeitstechniken bei. Später studierte Andrea Rau an der PH, wurde Lehrerin und unterrichtete Textiles Werken.
Kurs in Marokko gegeben
An Makramee schätzt Andrea Rau vieles. Zum Beispiel die Vielfalt an Stilrichtungen. „Jedes Volk hat seine eigene Formensprache entwickelt“, sagt sie. Die unterschiedlichen Einflüsse spiegeln sich in ihren Werken wider, ebenso wie ihre eigenen Reisen. „Ich bringe immer wieder Steine, Perlen oder Metallornamente aus dem Urlaub mit und arbeite sie ein.“ Eine gute Adresse dafür sind Italiens Märkte. Etliche Steine hat Andrea Rau aber auch von einer siebenwöchigen Wohnmobiltour mitgebracht, die sie mit ihrem Mann durch Marokko unternommen hat. „Bei einem Steineschleifer in der Wüste in Südmarokko habe ich tolle Versteinerungen gefunden.“ Und das ist noch nicht alles. „Ich habe in Marokko auch einen Makramee-Kurs gegeben“, erzählt Andrea Rau. Über einen Bekannten knüpfte sie Kontakte zu einer Förderschule und unterrichtete zwei Wochen lang die Textillehrerin der Schule, die Rektorin und einige andere Teilnehmer in ihrer Makramee-Technik, mit der sich Schmuck herstellen lässt.
Ganz wichtig dafür: das Garn. Während für herkömmliche Makramee-Werke in der Regel ein bis sechs Millimeter starke Baumwoll-Fäden verwendet werden, ist Andrea Raus dickstes Garn einen Millimeter stark. „Das teile ich noch bis zu drei Mal und bis zu einer Stärke von 0,25 Millimetern.“ Auch verwendet sie keine Baumwolle, sondern gewachstes Polyestergarn aus Brasilien. Es hat den Vorteil, dass sich die Knoten nicht lösen, das Schmuckstück steifer wird und sich die Enden der Fäden versengen lassen. „Vernähen ist bei den kleinen Stücken fast nicht möglich.“
Makramee-Schrift entworfen
Neben dem Garn braucht Andrea Rau für einfache Schmuckstücke nur wenig in ihrer „Werkstatt“, die ebenso wie ihr „Lädle“ mobil ist: Ihren selbst gebauten Makrameerahmen und ein Mäppchen mit Feuerzeug, Zange sowie einem Werkzeug zum Knoten öffnen. Für kompliziertere Werke mit Steinen, Perlen und Metallornamenten kann sie zuhause aus dem Vollen schöpfen: Im Esszimmer-Schrank neben den Schubfächern mit Schmuckstücken stapeln sich farbige Kisten mit Accessoires. „Da, wo andere Leute ihre Servietten aufbewahrten, habe ich meine Perlen“, sagt Andrea Rau und schmunzelt.
Manchmal lässt die Weilheim in ihrer Kreativität freien Lauf und knotet einfach drauf los, manchmal schaut sie Tutorials im Internet an und knüpft die Arbeiten nach. Gefällt ihr ein Schmuckstück gut, hält sie fest, wie genau es gefertigt wird. „Dann ist es reproduzierbar und lässt sich auch verhältnismäßig schnell herstellen.“ Dafür hat sie eine eigene Makramee-Schrift am Tablet entworfen, die aussieht wie eine Explosionszeichnung für die geknoteten Schmuckstücke. „Das ist wie die Strickschrift, Häkelschrift oder ein Schnittmuster beim Nähen“, erläutert Andrea Rau.
Freude hat sie aber keineswegs nur an der Handarbeit selbst. „Es macht mir großen Spaß, mir einfache Schmuckstücke für Anfänger auszudenken und anderen die Makramee-Technik beizubringen“, erzählt die Weilheimerin und räumt ein: „Da kommt die Lehrerin durch.“ Zum einen gibt sie deshalb Makramee-Kurse. „Man kann zu mir kommen oder mich einladen.“ Und weil das in Corona-Zeiten auch nicht immer möglich ist, hat sie begonnen, Tutorials aufzunehmen und in ihrem YouTube-Kanal zu veröffentlichen. Dort firmiert sie – ebenso wie in Facebook und Instagram – unter „Zehn Talente“.
Diesen Namen hat Andrea Rau ganz bewusst ausgewählt: Zum einen arbeitet sie mit ihren zehn Fingern, zum anderen lehnt sich die ehemalige Lehrerin, die zuletzt in Bissingen und Neidlingen Religion unterrichtet hat, an das biblische Gleichnis von den zehn Talenten an. „Ich verstehe dessen Botschaft so: Wenn du etwas kannst, mach was draus und begrabe dein Talent nicht“, erläutert sie. Und noch etwas ganz Pragmatsiches steckt hinter der Namenswahl: „Ich neige zum Hobby-Hopping, deshalb durfte Makramee nicht im Namen vorkommen“, gesteht die Weilheimerin. In der Vergangenheit hat sie schon verschiedenen kreativen Tätigkeiten gefrönt, etwa dem Papierperlen basteln oder dem Brettchenweben. „Sollte mal wieder etwas Neues kommen, kann ich den Namen einfach beibehalten“, sagt Andrea Rau augenzwinkernd.
Alte orientalische Knüpftechnik
Makramee ist eine alte Handarbeitstechnik, die aus dem Orient stammt und über Kreuzritter und Mauren nach Europa gelangte.
Knotenarten gibt es beim Makramee mehrere. Andrea Rau verwendet vor allem den doppelten Halbschlag und für Verschlüsse den Kreuzknoten.
Infos zu Schmuck, Kursen und Lädle gibt Andrea Rau telefonisch unter 07023/2512