Zwischen Neckar und Alb
Weiter Ärger über verspätete Züge

Bahn Mehr als fünf Monate nach der Übernahme der Bahnstrecke Stuttgart–Tübingen hat es Abellio immer noch nicht geschafft, den Fahrplan einzuhalten. Verspätungen sind an der Tagesordnung. Von Anneliese Lieb

Fahrplanänderungen, Haltausfälle, Verspätungen - als Bahnfahrer auf der Strecke zwischen Stuttgart und Tübingen braucht man seit dem Fahrplanwechsel im Juni ganz schön viel Geduld. Wer sich erhofft hatte, dass nach dem Wechsel von der DB an Abellio jetzt Pünktlichkeit und neue Züge das Bild bestimmen, wurde bitter enttäuscht. Erst war es der Zughersteller Bombardier, der nicht pünktlich lieferte. Jetzt ist ein Teil der neuen Fahrzeugflotte ausgeliefert und trotzdem kommt es fast jeden Tag zu Verspätungen.

Weil Bürger in Sachen Unpünktlichkeit der Bahn auf Johannes Fridrich zugekommen sind, hat sich der Nürtinger Oberbürgermeister erneut an Rolf Schafferath, Geschäftsführer von Abellio Rail Baden-Württemberg, gewandt. Schafferath räumt ein, dass die Pünktlichkeit auf der Neckar-Alb-Bahn seit Schulbeginn „zu unserem Bedauern in der Tat etwas eingeknickt ist“ und im Durchschnitt bei 84 Prozent liege. Als Hauptursache nennt der Abellio-Geschäftsführer diverse externe Beeinträchtigungen wie Infrastrukturstörungen und Behinderungen durch gefährliche Eingriffe

„Es fahren inzwischen mehr Züge auf der Strecke - und nichts ist besser geworden.
Thaddäus Kunzmann, CDU-Kreisvorsitzender und regelmäßiger Bahnfahrer

 

in den Bahnbetrieb. Zudem komme es seit Mitte Oktober infolge von Baumaßnahmen der DB Netz AG zu einigen Einschränkungen. „Die Ausfallquote ist dennoch rückläufig. Im Schnitt ist in den vergangenen vier Wochen ein Zugpaar pro Tag ausgefallen - alle drei Linien zusammengenommen.“

Weil Bombardier mittlerweile weitere Neufahrzeuge geliefert habe (43 sind es jetzt insgesamt) konnte Abellio einen Großteil der DB-Ersatzzüge gegen Talent-2-Züge austauschen. Damit verbessere sich vor allem der Reisekomfort.

Ein Regelbetrieb im Netz, so Schafferath, könne sich allerdings erst einstellen, „wenn uns die gesamte Zugflotte zur Verfügung steht“. Dies werde erst im Sommer 2021 der Fall sein.

Als regelmäßiger Bahnfahrer kennt der Nürtinger Stadtrat Thaddäus Kunzmann die Probleme von Anfang an. Fast täglich ist er mit dem Zug von Nürtingen nach Stuttgart und zurück unterwegs. Kunzmann ärgert sich auch, dass Landesverkehrsminister Winfried Hermann und Abellio die Verantwortung von sich weisen. „Es fahren inzwischen mehr Züge auf der Strecke - und nichts ist besser geworden.“ Der CDU-Kreisvorsitzende macht in einem Brief an Hermann seinem Ärger Luft.

„In der Woche ab dem 2. November haben sich die Züge um 7.34 oder 7.59 Uhr um 15 oder 25 oder 30 Minuten verspätet.“ Es handele sich um stark frequentierte Pendlerzüge. Ihm sei darüber hinaus erzählt worden, so Kunzmann, dass sich auch frühere Züge, zum Beispiel um 6.04 Uhr, deutlich verspätet hätten beziehungsweise gleich ganz ausgefallen seien. „Da bei einer 25- oder 30-minütigen Verspätung natürlich die Pendler des darauffolgenden Zuges auch in den verspäteten Zug einsteigen, ist es dort dann übermäßig voll.“

Tatsächlich, so Thaddäus Kunzmann, würden sich derzeit viele Bahn-Pendler überlegen, wieder mit dem Auto zu fahren. „Wenn die Pendler erst mal wechseln, ist es unheimlich schwer, sie wieder vom Zug zu überzeugen.“ Deshalb müsse der Minister jetzt reagieren. Minister Hermann habe den Bahnvertrag 2015 mit Abellio geschlossen. Es helfe auch nichts, auf die neuen Züge zu hoffen. „Die fahren zum Teil jetzt schon, und trotzdem steht es mit der Pünktlichkeit nicht zum Besten.“

Er sei außerdem überrascht, so Thaddäus Kunzmann an Minister Hermann, dass die neuen Fahrzeuge nicht barrierearm zu besteigen seien - auf der Strecke haben die allermeisten Bahnsteige eine Höhe von 76 Zentimeter. „Wie kommt es dann, dass ein neuer Zug eine Einstiegshöhe nur 55 Zentimeter hat? Da hilft auch das ausfahrende Trittbrett nichts.“

Auch im fünften Monat seit der Streckenübernahme durch Abellio „spüren die Pendler keine Verbesserung“.