Weltweit werden 1,5 Milliarden Hektar Land als Ackerfläche genutzt. Bei einer Weltbevölkerung von gut 7,9 Milliarden Menschen heißt das rein rechnerisch: Jedem Menschen stehen etwa 0,2 Hektar Fläche zu. Aber kann man davon auch leben?
Die Nürtinger Hochschule für Wirtschaft und Umwelt hat auf dem Hofgut in Tachenhausen einen Weltacker angelegt. Auf 2000 Quadratmeter wachsen dort Lebensmittel, Energiepflanzen, Futter und Pflanzen, aus denen Kleidung produziert wird. All das soll einem Menschen zum Überleben reichen. Professorin Sabine Kurz hat den Acker mit Studenten angelegt. Und sie sagt: „Am Weltacker lässt sich erkennen: Die Einteilung dieser Fläche hängt von Verbrauchs- und Ernährungsgewohnheiten ab.“
Doch nicht nur der Mensch braucht die Ackerfläche zum Leben. Es gibt weitere Organismen, die dort leben. Welche Organismen wo leben können, hängt davon ab, wie die Fläche bewirtschaftet wird. Manche Arten kommen vorwiegend auf Ackerflächen vor, andere wiederum brauchen andere Ökosysteme zum Überleben. Doch je mehr Ackerfläche wir benötigen, desto weniger Wiesen, Wälder und Biotope haben wir. Das bedeutet auch: Die Artenvielfalt wird dezimiert.
Deutlich macht der Weltacker aber auch, dass die Deutschen über ihre Verhältnisse leben. Denn durchschnittlich verbrauchen die Menschen in Deutschland pro Kopf Produkte, die auf 2727 Quadratmetern wachsen – ein Drittel mehr Fläche, als ihnen eigentlich zustehen würde. Die fehlt dann anderswo auf der Erde. Etwa die Hälfte davon befindet sich gar nicht in Deutschland, ein erheblicher Anteil liegt sogar im globalen Süden, also in Entwicklungsländern.
Etwa die Hälfte all dessen, was auf diesen 2727 Quadratmetern wächst, wird für die Ernährung jener Tiere gebraucht, die der Ernährung dienen. Ein Viertel der Ackerfläche ist zudem für Pflanzen reserviert, die für die Herstellung von Kleidung und Energie benötigt werden.
Getreide nimmt die halbe Fläche ein
Was wächst nun auf dem Weltacker in Tachenhausen? Etwa die Hälfte der Fläche ist für Getreide reserviert. Weizen, Gerste, Roggen, Mais – als Maissilage für Tierfutter oder für die Biogasanlagen–, Hafer und die Roggen-Weizen-Kreuzung Triticale als Futtermittel, Buchweizen und Hirse (sowohl für die Biogasanlage als auch für die Ernährung) findet man auf dem Acker. Reis, der für etwa die Hälfte der Menschen auf unserem Globus das Hauptnahrungsmittel ist, fehlt auf dem Weltacker. Die HfWU hat von 2017 bis 2020 einen Versuch mit Reis in Tachenhausen gemacht. „Die Pflanzen konnten erfolgreich etabliert werden“, sagt Sabine Kurz. Die Bewässerung war kein Problem. Dennoch wurden die Bestände nicht reif. Der Risottoreis aus Norditalien war anspruchsvoll, er musste oft gehackt und mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden.
An Gemüsesorten baute Sabine Kurz Tomaten, Zwiebeln, Kohl, Kürbis und Melone an. Der Gemüseanteil auf dem Acker nimmt etwa vier Prozent ein. 15 Prozent wurde für Hülsenfrüchte reserviert. Ackerbohne, Sojabohne, Stangenbohne, Kichererbsen, Linsen werden angebaut. Auch Erbsen, Lupine und Soja findet man in Tachenhausen.
Exotisches hat der Weltacker in Tachenhausen ebenfalls zu bieten, denn 1,86 Prozent der Fläche wurde für die Erdnuss reserviert, die, anders als der Name vermuten lässt, keine Nuss, sondern auch eine Hülsenfrucht ist. „Während wir Erdnüsse vor allem als Knabberspaß und Erdnussbutter kennen, werden in einigen Regionen Afrikas Erdnüsse wie Erbsen oder Bohnen gekocht oder als Brei gegessen“, so Kurz.
2,5 Prozent sind für Kleidung reserviert
Faserpflanzen sind für die Herstellung von Kleidung, aber auch in der Industrie notwendig. Baumwolle ist als Bekleidungsstoff natürlich weit verbreitet. 2,5 Prozent sind eigentlich für sie reserviert. Da Baumwolle hierzulande nicht wächst, ersetzte Sabine Kurz sie mit Faserhanf. Er wird in der Autoherstellung als Naturfaserverbundstoff oder aber auch als Dämmstoff, als Papier und für die Herstellung von Seilen verwendet. Und natürlich auch für die Herstellung von Kleidung. Nicht ganz zwei Prozent der Fläche bekommt das Wurzelgemüse. Kartoffeln und Süßkartoffeln, um genau zu sein. Beide dienen der menschlichen Ernährung, die Kartoffel auch als Rohstoff, beispielsweise für Alkohol.
Ölfrüchte stehen theoretisch auf etwa acht Prozent des Weltackers. Nur fünf Prozent geht aufs Konto von Sonnenblumen, Raps und Lein. Oliven, Ölpalmen und Kokospalmen fehlen in Nürtingen. Das gilt auch für Obst, das theoretisch auf vier Prozent des Weltackers zu sehen sein sollte. Doch Obstbäume und -sträucher sind mehrjährige Pflanzen und können dort nicht gezeigt werden.
Bliebe noch das Grünfutter und hier vor allem die Luzerne, die Sabine Kurz als die Königin der Futterpflanzen bezeichnet. Sie dient als Viehfutter und erhält zusammen mit Klee und Gras 211 Quadratmeter auf dem Acker.
Etwa 0,28 Prozent der Ackerfläche werden für den Anbau von Tabak verwendet. Er kommt, wie die Tomate und die Kartoffel, aus Mittelamerika und ist hier als Genussmittel angepflanzt. In seiner Heimat ist er die erste Pflanze, die nach Waldbränden wieder wächst. „In der Evolution musste der Tabak sich deswegen besonders gegen Fraßfeinde wehren“, sagt Kurz.
Führungen über den Weltacker gibt es an den Sonntagen im August ab 19 Uhr. Der Zugang ist ab dem Parkplatz ausgeschrieben.