Zwischen Neckar und Alb
Wendlingen in ein Graffito gepackt

Street-Art Der Kirchheimer Lehrer und Sprayer Christian Pomplun gestaltet die Bahnunterführung neu – um illegalen Graffiti vorzubeugen und um der Stadt einen modernen Anstrich zu verpassen. Von Sylvia Gierlichs

Graffitikunst - einst verteufelt als Schmiererei - ist salonfähig geworden. Das lässt sich nicht nur daran erkennen, dass die Wendlinger Stadtverwaltung den Street-Art-Künstler Christian Pomplun engagiert hat, um die Unterführung am Wendlinger Bahnhof mit einem Graffito zu verzieren. Das lässt sich auch daran erkennen, dass viele Passanten, die mit dem Zug in Wendlingen ankommen, vor dem Bauzaun stehen bleiben, um mit dem Künstler ein Schwätzchen zu halten. Wie die beiden Oberboihingerinnen Sabine und Karin Beck. „Klasse“, lautete ihr Kommentar. Pomplun freut sich, dass sein Werk bereits während der Entstehungsphase so viel positive Aufmerksamkeit von Passanten oder Außenstehenden erhält.

Vor zwei Wochen hatte Bürgermeister Steffen Weigel im Ausschuss für Technik und Umwelt bekannt gegeben, dass die Unterführung am Bahnhof durch ein Graffito verschönert werden soll. Der Gedanke stammt von der Stadtverwaltung. Denn die Wände der Unterführung strahlen in jungfräulichem Weiß. Und so viel gepflegte Gediegenheit könnte auf so manchen Sprayer geradezu einladend wirken, sich daran zu verwirklichen. Also entschied man sich, einen Graffiti-Künstler zu engagieren. Vermittelt hat ihn Christoph Georgi, Leiter des Jugendhauses Zentrum Neuffenstraße.

Erst vor einigen Wochen hatten Graffitikünstler eine Wand der Sporthalle „Im Grund“ mit einem Graffito verziert. Auch Christian Pomplun gehörte zu den Sprayern. Und klar sagte er zu, als die Anfrage der Stadt kam, auch der Unterführung einen ganz neuen Anstrich zu geben.

Früher noch illegal gesprüht

Wendlingen, so war der Wunsch, sollte sich darin widerspiegeln. Pomplun erkundete die Stadt und nahm die Uhr des Rathausturms genauso auf wie den Büttel, der normalerweise vor dem Rathaus sein Zuhause hat. Eine S-Bahn darf natürlich nicht fehlen. Und wer weiß, vielleicht lässt sich ja auch im Schriftzug „Wendlingen“ noch einiges an Symbolik entdecken?

„Haben Sie keine Angst, dass jemand kommt und einfach darüberschmiert?“, wollte eine elegante ältere Dame wissen. „Die Gefahr besteht, aber irgendwie gehört es zu Graffitikunst dazu“, sagt Pomplun lächelnd. Er verdient sein Geld normalerweise als Lehrer. Ursprünglich kommt er aus Frankfurt, kam 2001 nach Nürtingen, um dort Kunsttherapie zu studieren. Und arbeitete als Therapeut in einer Einrichtung der Jugendhilfe. Mit dem Sprayen fing er als Jugendlicher an. Illegal, klar. Doch die Angst, erwischt zu werden, war größer. Heute fragt er, bevor er Wände mit Farbe verziert. Erstaunlich: Ein Nein hört er dabei nur selten.