Ellen und Bernd Marquart sind in der Jazzszene weit über unsere Region hinaus bekannt. Nicht nur musikalisch harmonieren beide als bestens eingespieltes Team – auch privat haben sie eine Liaison: Seit mehr als 30 Jahren wohnt das Ehepaar mit seinen Kindern in Wernau. „Dass wir uns kennengelernt haben, war ein purer Zufall“, erinnert sich Bernd Marquart. Ende der 1980er-Jahre wurde er – damals Student an der Musikhochschule Stuttgart – gefragt, ob er für einige Zeit im Rahmen einer Hochschulpartnerschaft ans Musikdepartment der Illinois University wechseln wolle. Begeistert stimmte Marquart zu. In den USA angekommen, fühlte sich der junge Trompeter, der zu jener Zeit die englische Sprache nur rudimentär beherrschte, jedoch nicht wohl. Es zog ihn nach Stuttgart zurück, doch das Schicksal wollte es anders: Er lernte die Musikstudentin Ellen kennen, die im Nachbarhaus wohnte.
„Bernd hat mich zu einem Konzert in einen Jazzclub in Illinois eingeladen“, erinnert sich die charmante Pianistin und Sängerin. „Als ich ihn auf seiner Trompete spielen hörte, war ich sofort hin und weg“. Es hatte gefunkt, und nach vielen Telefonaten zwischen Deutschland und den USA besuchte Ellen ihren Bernd, der inzwischen in einer WG in Wernau wohnte.
Aus dem Kurztrip wurde eine lebenslange Reise. Bald war Ellen Sängerin in verschiedenen Formationen, mit denen Bernd Marquart auftrat, und seit 1991 sind sie auf den Bühnen auch als Duo zu hören: Die künstlerische Partnerschaft wurde inzwischen auf 17 CDs und zwei DVDs dokumentiert. Stilistisch gibt es für Ellen und Bernd Marquart keine Grenzen. Louis Armstrong, der Altmeister des Jazz, gehört ebenso zum Repertoire wie die Musik von Duke Ellington oder Titel des Jazzrock-Pianisten Chick Corea. Ob beim oldfashioned Jazz des frühen 20. Jahrhunderts, beim Bebop der 1940er-Jahre oder fetziger Latin-Music: Die Marquarts fühlen sich auf allen Sätteln wohl. Ihr Credo: „Die Musik muss swingen“.
Viele Titel arrangieren Ellen und Bernd Marquart selbst. Sie schneidern Klangbild und formale Struktur ihren unterschiedlichen Besetzungen auf den Leib. „Die Musik darf nie langweilig daherkommen, sie muss Drive haben“, ist sich Bernd Marquart mit seiner Frau einig. In den Konzertprogrammen setzen sie jedoch gerne melodiöse Balladen neben fetzige Swing-Titel. „Wir lieben die Abwechslung. Nur mit einem interessanten Mix der Klänge und Stile kann man das Publikum fesseln.“
Verschiedene Hintergründe
Die Biografie der beiden Jazzer liest sich recht unterschiedlich. Der in Rottweil geborene Bernd Marquart wechselte mit nach einigen Jahren Klavierunterricht auf „sein“ Instrument, die Trompete. Mit 17 Jahren gründete er seine erste Jazzband, später führten Fleiß und Begabung zum Jazz-Studium an die Stuttgarter Musikhochschule.
Seine Frau Ellen begann mit vier Jahren mit dem Klavierspiel und nahm bereits als Neunjährige Klavierunterricht an der Universität. Bei Jugendwettbewerben war die junge Pianistin sehr erfolgreich. Zunächst spielte sie solistisch und in Kammermusik-Formationen, aber schon bald brach sich ihre Liebe zur Jazzmusik Bahn: „Ich habe das Jazz-Gen von meiner Großmutter geerbt. Sie liebte den Swing über alles“.
In Deutschland machte sie Karriere – nicht nur als Jazzpianistin, auch als Sängerin. „Ich bin begeistert vom Scat-Gesang. Wenn ich mit dieser speziellen Gesangstechnik in ein Duett mit der Trompete meines Mannes einsteige, entstehen Momente von besonderer Ausdruckskraft.“
Die zahllosen Auftritte quer durch Europa brachten neben großer Anerkennung in Fachkreisen auch manch skurrile Erlebnisse. Etwa als sie für einen Diamantenhändler spielten, der während seiner Hochzeit so sturzbetrunken war, dass er die Gage mit dem Argument, sie hätten ja gar nicht gespielt, nicht bezahlen wollte. Oder als bei einem Konzert in Rottweil plötzlich der Flügel auseinanderbrach, und damit das Konzert abrupt beendet war.
Besonderes Highlights waren Auftritte in New Orleans, der Wiege des Jazz, und ein Konzert ihres Quartetts mit einem großen Streichorchester im Breuningerland Ludwigsburg. Dort betreute Bernd Marquart von 2003 bis 2020 als künstlerischer Leiter das Festival „Jazz on Sunday“.
Doch die Karriere brachte nicht nur Höhepunkte. Wie für viele Künstler ist für die Marquarts die Corona-Pandemie eine Katastrophe: „Wir hatten vom einen auf den anderen Tag keine Auftritte mehr und damit auch keine Einnahmen.“ Beide sind froh, dass allmählich Normalität einkehrt: „Langsam geht es wieder aufwärts“.
Stile und Techniken der Jazzmusik
Swing Die wohl populärste Stilrichtung des Jazz ist der Swing. Er entstand gegen Ende der 1920er Jahre und erreichte zwischen 1935 und 1940 seinen Höhepunkt. Der Swing wurde ursprünglich von Afroamerikanern entwickelt, jedoch bald von den "weißen" Amerikanern kopiert, kommerziell vermarktet, und zuletzt auch dominiert. Die Ära des Swing ist untrennbar verbunden mit der Entstehung der für den Swing typischen Musikformation, der Big Band.
Bebop Diese Musikrichtung löste Anfang der 1940er-Jahre den Swing als dominierende Gattung ab: Der Bebop gilt als Ursprung der modernen Jazzmusik. In puncto Rhythmus und Harmonik bietet diese Musik den Interpreten größere Freiheiten. Mit dem Bebop und seinen ausgedehnten Improvisationen vollzog sich ein Wechsel des Jazz‘ von der Tanz- zur Kunstmusik.
Scat-Gesang Im US-amerikanischen Gospel und im Jazz wurde diese spezielle vokale Ausdrucksform entwickelt. Das improvisierte Singen von rhythmisch und melodisch aneinandergereihten Silbenfolgen ohne Wortbedeutung ergibt ein besonderes stimmliches Klangbild. Oft werden lautmalerisch Instrumente nachgeahmt, oder die Stimme allein wird als Instrument eingesetzt. kell