Es wäre schade, wenn die haarsträubenden Sachen und Geschichten verloren gehen würden“, sagt Dr. Falk Henkel, Jahrgang 1944 und jahrzehntelang Facharzt für Allgemeinmedizin in Oberlenningen. Zudem war er bei der Papierfabrik in Oberlenningen für Betriebsmedizin zuständig, Sport- und Umweltmediziner und bei der Bergwacht aktiv – es könnte einem ja sonst langweilig werden. In dem außerordentlich vergnüglichen Gespräch wird eines klar: Er liebt die Menschen mit all ihren Ecken und Kanten, war „dr Dokdr“ mit Leib und Seele.
Krankschreiben ohne gesundheitlichen Anlass würde in einem Ort wie Oberlenningen einem Hausarrest gleichkommen.
Falk Henkel
Zu seinem neuem Buch „Der Landarzt – Schwäbisch“ ist ihm deshalb auch folgende Erläuterung wichtig: „Da sich ja der Titel des Buches etwas seltsam anhört und auch Anlass gibt, anzunehmen, es wäre in schwäbischer Mundart geschrieben – so wie seine Vorgänger –, wäre es hilfreich, zu erwähnen, dass das Buch in Standardsprache geschrieben ist. Das Wort ,Schwäbisch‘ im Titel soll lediglich besagen, dass die Patienten meiner Praxis, wie auch ich, in besonderem Maße von der schwäbischen Region, Mentalität und Sprache geprägt sind. Weil ich glaube, dass das etwas Besonderes ist, habe ich es extra betont.“
Diese Klarstellung kommt nicht von ungefähr, hat er sich doch als (Un-) Ruheständler ganz bewusst ins pfälzische Ausland abgesetzt, da er im Alltag nicht regelmäßig um eine Diagnose gebeten werden möchte – und peinliche Situationen vermeiden. Wenn er zum Einkaufen „zum Sigel“ in Oberlenningen geht, könnte das mitunter amüsant werden, wenn beispielsweise eine ältere Dame die oberen Blusenknöpfe öffnet und sagt: „Herr Dokdr, gugget Se amol“. Zudem hat er schon zwei Bücher in Mundart geschrieben, „Erschde Hilfe in ,schwäbisch‘ “ wurde insbesondere bei Rettungsdienst-Mitarbeitenden zum Renner. Dieses Buch beruht wiederum darauf, dass er langjähriger Landesarzt der DRK-Bergwacht Württemberg und für die sanitätsdienstliche Ausbildung der aktiven Bergwachtmitglieder verantwortlich war.
„Das aktuelle Buch ist kein literarisches Werk. Ich beschreibe einfach Dinge, die sich ergeben haben – und für mich habe ich es auch geschrieben“, sagt er in herzerfrischender Selbstverständlichkeit. Tief im Innern ist er Wissenschaftler, er erarbeitet und katalogisiert. „Kein Mensch ahnt, was alles in einer Praxis vorgeht, welche Bandbreite es gibt“, sagt er. Um diese Wissenslücke zu schließen, hat er das Buch geschrieben. So finden sich bei aller Schwere, die der Arztberuf mit sich bringt, schöne erheiternde Momente – und ohne Schwäbisch geht es auch in diesem Werk nicht. Die Originaltöne sind im Dialekt geschrieben.
Falk Henkel thematisiert unter anderem das Krankschreiben ohne gesundheitlichen Anlass. „In einem Ort wie Oberlenningen macht das keinen Sinn. Das würde einem Hausarrest gleichkommen“, sagt er. Pensionierungen seiner männlichen Patienten bereiteten ihm eher Kopfzerbrechen. „Kein Mensch macht sich Gedanken, was daraufhin mit seiner Frau passiert. Die hat dann das Problem, dass der vermeintliche Chef zu Hause ist. Loriot hat sich das mit seinem Film Pappa ante portas nicht aus den Fingern gesogen“, ist seine Erfahrung.
Schreiben bedeutet Falk Henkel viel. Als junger Trichter-Redakteur – einstige Schülerzeitung am Kirchheimer Ludwig-Uhland-Gymnasium – hat er den Scheffel-Preis bekommen. Die Neugierde tut ein Übriges. „Ich bin immer an drei bis vier Projekten dran, die ich recherchiere. Das braucht Zeit – und die habe ich jetzt“, freut er sich. Etwa fünf Stunden am Tag sitzt er am Schreibtisch. Viele Stunden verbringt er in der Natur, um den Dingen auf den Grund zu gehen. Da trifft es sich gut, dass der Wald quasi an der Haustür beginnt. Drei Jahre hat er sich der Hydrologie gewidmet und jede Quelle im näheren und weiteren Umkreis aufgespürt. „Das hat zur Folge, dass ich mich hier gut auskenne und viele Vorträge halten durfte. Dazu kommt, dass ich mich für Bäume schon immer interessiert habe. Als Dendrologe weiß ich auch, wo besondere Bäume stehen“, erzählt er.
Die Frage, warum es ihn in die Pfalz gezogen hat, ist für ihn leicht zu beantworten: „Auf der Alb ist das Klima rauh und kalt, in der Pfalz trocken und warm – man kann sagen: nahezu mediterran. Hier wächst der Riesling, man kann dem Wein quasi beim Wachsen zuschauen.“ Für ihn ist die Pfalz das Vorzimmer zum Paradies, zwei bis drei Mal im Jahr waren er und seine Frau dort, als er noch seine Praxis in Lenningen hatte. „Ich war drei Jahre auf der Weinbauschule, weil ich eigentlich ein Landwirtschaftsmensch bin. Deshalb habe ich auch blitzartig Zugang zu den Menschen bekommen und bin voll integriert“, erzählt Falk Henkel. Allerdings vermisst er auch „en Haufa Leit“, die er in und um Lenningen liebgewonnen hat – und die Landschaft, denn die sei in der Teck-Region deutlich abwechslungsreicher als die Pfalz bei Bad Dürkheim. Die kann wiederum damit punkten, dass sie dank ihrer lichten Kieferwälder Urlaubsstimmung bei ihm erzeugt. „Es ist ein tolles Wandergebiet, und alle fünf Kilometer kommt eine Hütte, in der es Weinschorle gibt“, schwärmt er. Ebenso von den Menschen, die, wie in Weingegenden üblich, sehr gesellig sind. „Die Pfälzer sind noch mundartlicher unterwegs als wir. Sie lieben den Dialekt – deshalb kann ich weiterhin schwäbisch schwätzen“, sagt Falk Henkel.
Lesungen mit Falk Henkel
Wer den Autor persönlich kennenlernen oder seinen ehemaligen Hausarzt wiedersehen will, hat bei zwei Lesungen Gelegenheit dazu. Sie finden statt in Kirchheim im Fickerstift am Mittwoch, 30. Oktober, um 19 Uhr und in Lenningen im Julius-von-Jan-Gemeindehaus am Donnerstag, 31. Oktober, um 19 Uhr.
In seinem Buch berichtet er anhand tatsächlicher Begebenheiten über seinen Werdegang als Arzt. Von der Kindheit im Arzthaus auf dem Land über die Ausbildung und Tätigkeit in verschiedenen Kliniken, über die Wehrzeit als Stabsarzt bis hin zur die Praxistätigkeit beschreibt er heiter und hintergründig seinen beruflichen Lebensweg und seinen Alltag als Landarzt. ih