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Wenn die Angst den Alltag lähmt

Phobie Nach einem Hundebiss hatte die Kirchheimerin Valerie Keller jahrelang Panik vor Hunden. Doch mittlerweile hat sie ihre Furcht vor den Vierbeinern überwunden. Von Katharina Daiss

Dass Valerie Keller jahrelang panische Angst vor Hunden haben könnte, hat in ihrer Kindheit niemand erwartet. „Als Kind war ich ein totaler Hundemensch“, berichtet sie. Damals verbrachte sie ihre Zeit am liebsten mit Omas Dackeln in Jesingen. „Struppi und Ondra waren meine besten Freunde“, gibt sie lachend zu.

Doch dann kam das Fußballspiel im Jahr 2010. Die damalige Mittelfeldspielerin beobachtete einen kleinen Hund, der immer wieder aufs Spielfeld rannte. „Wahrscheinlich wollte er einfach nur spielen. Ich habe ihn jedenfalls nicht als Risiko betrachtet“, erinnert sich Valerie Keller. Dann geschah das Unglück: Die Spielerin sah den kleinen Hund aus dem Augenwinkel auf sich zu rennen, ignorierte ihn aber und passte den Ball weiter. Genau in diesem Moment biss er zu. „Er hatte meine Wade erwischt. Es war kein schlimmer Biss, dachte ich, bis ich den Stutzen runterzog und das Blut sah“, berichtet sie. Ihr Betreuer schickte sie sofort ins Krankenhaus. Neben der Wundreinigung bekam sie mehrere Spritzen, eine davon gegen Tollwut. „Das war der Moment, in dem die Angst begann“, beschreibt Valerie Keller das einschneidende Erlebnis.

Es war nicht die Furcht, von jedem Hund gebissen zu werden, sondern das Gefühl, nicht mehr einschätzen zu können, wie ein Vierbeiner reagiert. „Vor dem Hund auf dem Sportplatz hatte ich ja zunächst auch keine Angst“, erklärt sie. Doch mit einem Mal hatte die Furcht sie fest im Griff. „Beim Joggen kehrte ich um, sobald ich einen Hund gesehen habe“, erzählt sie. Konnte sie der Begegnung nicht entkommen, verfiel sie in eine Art Schockstarre. „Ich war wie versteinert, habe nur versucht, dem Tier nicht in die Augen zu sehen“, erinnert sie sich. Doch am schlimms­ten war es in ihrer Stuttgarter WG: Der Hund der Vermieter jagte der damaligen Studentin so eine Panik ein, dass sie nicht einmal mehr den Müll runterbringen konnte.

Ihre Mitbewohnerin sah, wie schwer die Angst ihr den Alltag machte, und beschloss: So kann es nicht weitergehen. Gemeinsam gingen sie ins Botnanger Tierheim. Dort suchte man nach freiwilligen Gassigehern. Zuerst haben sich die beiden nur informiert und alles angeguckt. „Ich bin tausend Tode gestorben, als dort zum ersten Mal einer der Hunde auf mich zu rannte“, berichtet Valerie Keller. Doch sie merkte schnell, wie sehr sich der Hund freute und wie dankbar der Vierbeiner für die Aufmerksamkeit war. „Ich ging in die Hocke und begann ihn zu streicheln“, erinnert sie sich. Zum ersten Mal seit drei Jahren hatte sie wieder einen Hund berührt. Von da an war sie fester Bestandteil der freiwilligen Gassi­geher. An einen Hund erinnert sie sich noch besonders gut: Tulla. „Der sah fast aus wie ein Streuner, hatte schwarz-graues Fell und einen kleinen Iro“, beschreibt sie den kniehohen Hund. Mit seiner unbeholfenen Art half er Valerie Keller, zurück in ein Leben ohne Angst zu finden. Denn auch der kleine Hund war nervös, wenn er eine Situation nicht einschätzen konnte, und brachte Valerie Keller so bei, die Körpersprache der Hunde wieder lesen zu können. „Es war ein langer Prozess“, beschreibt sie den Weg aus der Abwärtsspirale.

Heute ist von ihrer Furcht nichts mehr übrig. „Ich habe keine Angst mehr - selbst wenn meine Hand in einem Hundemaul stecken würde. Das hätte ich nie gedacht“, sagt sie stolz.