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Wenn die Liebe aus dem Leben scheidet

Suizid Der Verein „Trees of Memory“ kümmert sich um Hinterbliebene nach dem Verlust eines geliebten Menschen. In Kirchheim und Umgebung ist jetzt Anja Röckle Ansprechpartnerin. Von Andrea Rothfuß

In Deutschland nimmt sich alle 50 Minuten ein Mensch das Leben, weltweit alle 40 Sekunden. Diese Zahlen nennt der Verein Trees of Memory, der 2017 auf Initiative des Journalisten und Autors Mario Dieringer gegründet wurde, nachdem sein Lebenspartner Suizid verübt hat. Der Verein hat sich zum Ziel gesetzt, Hinterbliebene nach einem Suizid aufzufangen und ihnen unmittelbare Hilfe zukommen zu lassen.

In bisher bundesweit elf Regionen bietet der Verein über seine Anlaufstellen kostenlosen Beistand an. Menschen, die vom Suizid einer nahe stehenden Person betroffen sind, bekommen einen Paten zur Seite gestellt, der hilft, das erste Gefühlschaos aufzufangen und passende Maßnahmen, Selbsthilfegruppen oder Therapeuten ausfindig zu machen. In Kirchheim und 20 Kilometer Umkreis ist diese Patin Anja Röckle. Die Ötlingerin hatte den Journalisten Mario Dieringer vor einigen Monaten in der SWR-Talkshow Nachtcafé gesehen, seine Einstellung und sein Engagement imponierten ihr sofort, und sie wollte sich ebenfalls für Hinterbliebene nach Suizid einsetzen. Dass er öffentlich über den Suizid seiner Partners gesprochen hat, hat sie sehr beeindruckt. Ebenso, dass er aus diesem Schicksalsschlag die Kraft gefunden hat, den Verein Trees of Memory zu initiieren, um anderen in ähnlicher Situation Hilfe zu bieten.

2008 wurde auch in Anja Röckles Familienkreis das Thema Suizid aktuell. Damals noch ein Teenager, ging es ihr so, wie es Angehörigen oft bei einem Suizid geht. Sie stand vor einem Rätsel, hatte nichts geahnt und musste plötzlich mit dem Verlust eines geliebten Menschen umgehen. Deswegen findet sie es umso wichtiger, dass die Hinterbliebenen Hilfestellung bekommen und mit der Situation nicht alleine gelassen werden. Die 28-Jährige möchte in ihrer Funktion als Patin Brückenbauer sein und die Lücke zwischen dem Erhalt der Todesnachricht und dem ersten eigenständigen Auffinden von Hilfsangeboten durch die Hinterbliebenen schließen.

Depression und der Entschluss, nicht mehr leben zu wollen, hängen laut Anja Röckle oftmals eng zusammen: „Die Betroffene trauen sich meist nicht, über ihre Depression zu reden, denn man bekommt schnell für immer den Stempel, dass man psychisch instabil sei und man schämt sich dafür.“

Anzeichen für eine Depression gibt es einige, man bewältigt den Alltag nicht mehr, findet keine Lebensenergie, kann nicht mehr richtig essen oder schlafen, zieht sich zurück, vermeidet Kontakte. Gerade dann sei es laut Anja Röckle wichtig, sich Hilfe zu suchen und nicht nach außen die Fassade aufrecht erhalten zu wollen. Denn, so sagt sie: „Die Entscheidung kommt nicht von dem Menschen selbst, sondern die Depression bringt einen um. Dem Betroffenen ist nicht klar, was er anderen damit antut, er ist Opfer einer psychischen Erkrankung.“