Wieder und wieder krachen Fahrzeuge ineinander oder überschlagen sich. In schweren Fällen werden sie unter der Wucht des Aufpralls bis zur Fahrgastzelle zusammengedrückt. Wer überlebt, ist nicht immer in der Lage, sich selbst zu befreien. Das Warten auf die Rettungskräfte beginnt. Sind Menschenleben in Gefahr, zählt jede Sekunde. Doch gerade nach schweren Unfällen vergeht oft wertvolle Zeit. Denn die Fahrzeugkonstruktionen. die eigentlich sicherer sind als früher, haben laut ADAC eine Kehrseite: Sie erschweren die Arbeit der Einsatzkräfte.
Das beweist eine Fortbildung der Freiwilligen Feuerwehr Kirchheim. Zentimeter für Zentimeter frisst sich die Rettungsschere durch einen Ford Escort. Krachend gibt das Metall unter dem Druck des Gerätes nach. Markierungen, die verraten, wo die Gasgeneratoren sitzen, die die Airbags auslösen, suchen die Feuerwehrleute vergebens. Diese Information ist laut Kerstin Ambacher aber wichtig. Denn Airbags, die sich während des Unfalls nicht öffnen, sind eine Gefahr für Helfer und Insassen. „Ein Schnitt an der falschen Stelle, die Gasladung zündet, der Airbag schießt aus der Vorrichtung und kann zu Verletzungen führen“, berichtet die Gruppenführerin der Freiwilligen Feuerwehr Kirchheim, Abteilung Stadtmitte.
An einem alten Peugeot bringen die Lehrgangsteilnehmer im Türrahmen einen Hydraulikzylinder an. Stück für Stück schiebt das Gerät die eingedrückte Front des Pkws nach vorne. „Bei Unfällen mit modernen Autos sind die Fahrer häufiger als früher im Pedalraum eingekeilt“, sagt Ambacher. Fahrer und Beifahrer lassen sich oft nur befreien, wenn der Fußraum mechanisch vergrößert wird. Doch anders als bei dem Übungswagen vom Schrottplatz, stellt sich für die Feuerwehrleute bei modernen Autos die Frage, an welchen Punkten das Rettungsgerät angesetzt werden muss. „Das Gerät arbeitet mit einem Druck von bis zu 92 Tonnen “, erklärt Michael Briki von der Feuerwehr Kirchheim. „Wird es an der falschen Stelle angesetzt, kann sich das verformte Material den Patienten zusätzlich verletzen.“
Heutige Fahrzeuge bieten einen deutlich besseren Schutz. So ist die Zahl der tödlichen Unfälle laut Briki zurückgegangen. Doch im Notfall erschweren die Sicherheitskomponenten die Arbeit der Einsatzkräfte: „Jedes Fahrzeug ist anders. Wir sehen uns einer steigenden Anzahl von Komponenten gegenüber, die je nach Hersteller an ganz unterschiedlichen Orten verbaut sind.“
Die ersten Fahrzeuge mit Rettungskarte an Bord rollen deshalb bereits aus den Werkshallen der Hersteller. Im Handschuhfach oder hinter einer Sonnenblende verstaut nutzt die Karte unter Umständen jedoch wenig. „In Ausnahmefällen sind diese Stellen nach einem Unfall für die Feuerwehr nur schwer zugänglich“, betont Markus Taxis. Um zu wissen, wo bestimmte Bauteile sitzen, muss die Einsatzleitstelle erst das Internet durchforsten, ehe sie das passende Datenblatt weiterleiten kann. „Von der Alarmierung bis zur Versorgung der Verletzten im Krankenhaus vergeht bei den meisten Unfällen mit eingeklemmten Personen etwa eine Stunde.“ Da die Entwicklung im Automobilsektor nie stillsteht, besuchen die Feuerwehren immer wieder Fortbildungen der Fahrzeughersteller, um auf dem aktuellen Stand zu sein.
„Ein Schnitt an der falschen Stelle – und der Airbag schießt aus der Verankerung.
Kerstin Ambacher