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Wer zahlt die Zeche für das 49-Euro-Ticket?

Verkehr Für 49 Euro pro Monat durch das ganze Land reisen: Bei den Fahrgästen kommt das deutschlandweite Angebot gut an. Doch der Esslinger Landrat Heinz Eininger ist ernüchtert. Von Elke Hauptmann

Die Fahrgastzahlen im Gebiet des Verkehrs- und Tarifverbunds Stuttgart (VVS) sind wieder fast auf Vor-Corona-Niveau: „Im ersten Halbjahr 2023 wurden rund 181 Millionen Fahrten mit Bussen und Bahnen unternommen, das sind 16,2 Prozent mehr als im Vorjahr“, berichtet Cornelia Christian. Für die neue VVS-Geschäftsführerin liegt der Grund für die Steigerung auf der Hand: Insbesondere das Deutschlandticket habe einigen Auftrieb verursacht.

 

Wer bestellt, muss auch bezahlen.
Heinz Eininger
fordert, dass die durch das 49-Euro-Ticket verursachten Kosten vom Bund übernommen werden müssen.

 

Die Zahlen, die sie jetzt in einem Gespräch mit dem Esslinger Landrat Heinz Eininger vorstellte, belegen aus ihrer Sicht, dass ein attraktiver Preis viele Menschen zum Umstieg auf den öffentlichen Nahverkehr motiviert. So habe sich die Zahl der Abonnenten im VVS-Verbundgebiet, das die Landeshauptstadt Stutt­gart sowie die fünf Nachbarlandkreise Böblingen, Esslingen, Göppingen, Ludwigsburg und Rems-Murr umfasst, von rund 195 000 im März 2020 auf jetzt fast 300 000 erhöht. Das zum 1. März in Baden-Württemberg eingeführte Jugendticket für Schüler, Azubis und Studenten, das nur 365 Euro im Jahr kostet, zähle schon 150 000 Abonnenten. Im Dezember soll der Geltungsbereich auf ganz Deutschland ausgeweitet werden – das ist erklärter politischer Wille.

Rund 70 Prozent aller Fahrten im VVS erfolgen laut Cornelia Christian mittlerweile mit dem Deutschlandticket oder dem Jugendticket.

Lücke von 48 Millionen

So gut und wichtig dieser Erfolg ist, er bereitet ihr und dem Landrat große Sorgen. Das 49-Euro-Ticket ist für den Verbund mit rund 40 Verkehrsunternehmen nämlich ein Verlustgeschäft – trotz höherer Fahrgastzahlen. Denn das Ticket ist in vielen Fällen deutlich preiswerter als die bisherigen Zeitkarten. Wochen- und Monatstickets werden laut Cornelia Christian kaum noch nachgefragt. Im VVS wurden ihren Angaben zufolge im ersten Halbjahr 2023 zwar Fahrgeldeinnahmen in Höhe von 211 Millionen Euro erzielt, was 24 Millionen Euro mehr sind als im Vorjahreszeitraum. „Gegenüber 2019 ergibt sich aber immer noch eine Lücke von 48 Millionen Euro“, sagt die VVS-Chefin.

Für dieses Jahr ist die Finanzierung des Deutschlandtickets gesichert, Bund und Länder stellen dafür drei Milliarden Euro zur Verfügung. Doch wer die zusätzlichen Kosten – und die sind angesichts der Preissteigerungen wahrscheinlich – im kommenden Jahr übernimmt, dahinter steht noch ein Fragezeichen. Heinz Eininger sieht vor allem den Bund in der Pflicht, der sich bislang in Sachen Finanzierungszusage ziert. „Wer bestellt, muss auch bezahlen“, sagt der Landrat in aller Deutlichkeit. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass wichtige Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung im Nahverkehr auf der Strecke bleiben.

Und da hat der Kreis Esslingen, der schon jetzt rund 58 Millionen Euro im Jahr nur für den laufenden Betrieb des öffentlichen Nahverkehrs ausgibt, in den nächsten Jahren so einiges vor: Taktverdichtungen im Busfahrplan, neue Streckenangebote, den Ausbau von On-Demand-Verkehren sowie die schrittweise Einführung von emissionsfreien und sauberen Fahrzeugen auf allen Linienbündeln zählt der Landrat exemplarisch auf. Zudem werfe die S-Bahn-Verlängerung von Bernhausen nach Neuhausen schon lange vor der Inbetriebnahme 2027/28 ihre Schatten voraus. An der neuen Endhaltestelle sollten dann ja auch Linienbusse halten, die die Fahrgäste ins Umland bringen, erläuterte Eininger. Dafür seien umfangreiche Planungen zur Anpassung des Busverkehrs erforderlich. „Sie beginnen Ende 2024.“

Eine große Herausforderung werde es sein, ausreichend Busfahrerinnen und -fahrer für das stetig wachsende Angebot zu gewinnen, nicht nur im Landkreis Esslingen, räumt die VVS-Geschäftsführerin ein. „Der Fachkräftemangel wirkt sich auch in diesem Bereich aus. Es wird zunehmend schwerer, geeignetes Personal zu finden, insbesondere in der Fläche.“ Der VVS wolle daher noch in diesem Jahr im gesamten Verbundgebiet eine Kampagne starten, um für den Beruf zu werben, kündigte Cornelia Christian an. Zusätzlich wolle man die Busunternehmen bei der Personalakquise unterstützen.

Eine konkrete Zahl, wie viele Busfahrerinnen und -fahrer in der Region benötigt werden, kann sie derzeit nicht beziffern. Laut dem Verband Baden-Württembergischer Omnibusunternehmen (WBO) fehlen heute schon landesweit etwa 2500 Busfahrer. Perspektivisch dürfte die Zahl noch deutlich steigen, heißt es von dort.

Fahrgastinformationen in Echtzeit

DFI-Ausbau Verlässlich zu wissen, wann ein Bus fährt, ist nach Einschätzung von Landrat Heinz Eininger wichtig, um Menschen zum Umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel zu bewegen. Der Kreis Esslingen will daher die Dynamische Fahrgast­information (DFI) weiter ausbauen. In den Jahren 2023 bis 2025 stellt er Fördermittel in Höhe von insgesamt 190 000 Euro bereit. Kommunen können für die Anschaffung von digitalen Schildern an Bushaltestellen, auf denen die nächsten Abfahrten in Echtzeit angezeigt werden, einen Zuschuss in Höhe von 25 Prozent (maximal 3000 Euro) beantragen.

Haltestellenanzeigen Im Kreis Esslingen sind inzwischen 36 DFI-Anzeiger angebracht worden, davon allein 13 in Filderstadt und elf in Esslingen. In diesem Jahr wurden bislang insgesamt 13 Schilder in Weilheim, Neuhausen, Filderstadt, Reichenbach und Neckartenzlingen bereits aufgestellt. Es werden im Lauf des Jahres voraussichtlich noch 23 weitere Anzeigen in Betrieb gehen, und zwar in Leinfelden-Echterdingen, in Wolfschlugen und auch in Schlaitdorf. eh