Ein Schmetterling flattert über die Wiese, um die Färberkamille schwirren Insekten, und nebenan grast eine kleine Kuhherde. Dass über dem Maisfeld auch noch eine Drohne kleine Kugeln voller Nützlinge abwirft, die den Maiszünsler in Schach halten sollen, ist zwar reiner Zufall, doch den Besucherinnen und Besuchern wird so die ganze Bandbreite ökologischer Möglichkeiten vor Augen geführt. Was auf den ersten Blick wie irgendein idyllisches Fleckchen Land wirkt, ist eine wohldurchdachte Nutzung der Kulturlandschaft, die Landwirten und Fachberatern als Beispiel dienen soll.
Demonstrationsbetrieb für Biodiversität
Die Rede ist vom Hofgut Tachenhausen, einem Lehr- und Versuchsbetrieb, der der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen als Lehrbetrieb in Oberboihingen dient. Neuerdings ist Tachenhausen avanciert zum Demonstrationsbetrieb für Biodiversität, also der Artenvielfalt, die angesichts intensiver landwirtschaftlicher Bewirtschaftung in besorgniserregendem Ausmaß zurückgegangen ist.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Eine große Rolle spielen die ökonomischen Zwänge, die viele Betriebe zu einer Intensivierung veranlasst haben, heißt es in einer Broschüre, in der die Landesanstalt für Landwirtschaft, Ernährung und Ländlicher Raum für Biodiversitätsberatung wirbt.
Netzwerk im Aufbau
Auf Beispielbetrieben wie Tachenhausen soll gezeigt werden, wie sich konventionelle und ökologische Landwirtschaft und Artenvielfalt vertragen können. Ein Netzwerk von landesweit 44 Betrieben – einer in jedem Landkreis – ist momentan im Aufbau. Auch wie sich die Nahrungsmittelproduktion trotz eines größeren Aufwands noch rechnet und welche Förderprogramme zur Verfügung stehen, war ein Thema.
Was alles möglich ist, haben Akteure wie die Professorin für Agrarökologie an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen, Maria Müller-Lindenlauf, und die Agrarwissenschaftlerin Charlotte Lutz, die sich im Auftrag des Regierungspräsidiums Stuttgart um den Aufbau des Netzwerks kümmert, bei einer Feldbegehung Landwirten und Biodiversitätsberatern aus der Region Stuttgart gezeigt.
Der Rundgang in Tachenhausen führte zunächst zu einer Trockenmauer, die dank vieler Spalten ein Lebensraum für Reptilien sein kann, vor allem, wenn die Steine in sonniger Südlage aufgeschichtet werden. Damit die Mauer nicht so teuer wird wie das Tachenhausener Modell aus behauenen Sandsteinen, das Studentinnen und Studenten jedes Jahr um ein paar Meter verlängern, können auch Feldsteine genutzt werden.
Der Kreislauf schließt sich
Weiter ging es zu einem Blühstreifen neben besagtem Maisfeld. Vor allem mehrjährige Saaten werden dafür von den beiden Fachfrauen empfohlen, damit Insekten dort überwintern können. Und Blühstreifen, die nicht am Feldrand, sondern besser mittendrin angelegt werden, könnten Ruhe suchenden Tieren wie Rebhühnern und Feldhasen als Rückzugsort dienen. Vor allem frei laufende Hunde, aber auch Spaziergänger und Radler bedeuteten für die Tiere eine ernsthafte Störung, erklärte Lutz.
„Wir haben Pensionsrinder und eine Ziegenherde, die pflegen die Streuobstwiesen“, sagte Müller-Lindenlauf und zeigte auf den gegenüberliegenden Hang. Vor allem die Ziegen halten dort die Verbuschung im Zaum und sorgen so für artenreiche Wiesen. Und das Totholz von abgängigen Obstbäumen bietet sich als Lebensraum für Käfer und andere Insekten an. Solche Kooperationen seien genauso wertvoll wie die Zusammenarbeit mit örtlichen Streuobstinitiativen, ergänzte die Professorin.
Mischanbau wird getestet
Und damit sich die Kette beim Nahrungskreislauf schließt, sind Nisthilfen eine gute Idee. Wer welche anbringen möchte, habe eine große Auswahl an potenziellen Gästen. Neben Fledermäusen seien auch große und kleine Vogelarten dankbar für einen Unterschlupf. Beim nächsten Feld wurde deutlich, dass in Tachenhausen auch der Mischanbau und Untersaaten getestet werden. Die Gäste schauten sich den Mais-Gemenge-Anbau an, bei dem zwischen den Maispflanzen Stangenbohnen wachsen. Diese Kulturform ist in Südamerika bereits seit vielen Jahrhunderten bekannt und bietet gleich mehrere Vorteile: Der Mais dient der proteinreichen Bohne als Rankhilfe, und diese fixiert für sich und folgende Kulturen den Luftstickstoff im Boden – allerdings nur, wenn der Boden nicht schon hohe Stickstoffgehalte aufweist.
Welche Schritte sinnvoll sind und welche Hilfen es vom Staat gibt, das wissen die Biodiversitätsberater wie Marc Thomas vom Landwirtschaftsamt Esslingen. Die Kreisbehörde mit Sitz in Nürtingen wird von Petra Rauch geleitet. Rauch lobte das Engagement der Landwirte im Kreis beim Thema Blühstreifen und Brachenbegrünung. Momentan seien rund 250 Hektar Brachbegrünung angemeldet sowie weitere 50 Hektar blühende Ackerrandstreifen.
Ein Demobetrieb pro Landkreis
Landwirtschaft Im Kreis Esslingen bewirtschaften rund 600 landwirtschaftliche Betriebe die hiesige Kulturlandschaft. Nach Angaben des Landwirtschaftsamtes beteiligen sich 75 Prozent der Landwirtinnen und Landwirte im Kreis an einem der zahlreichen Programme, die die Artenvielfalt fördern sollen.
Angebote Angesichts zahlreicher Programme kann es für Landwirte unübersichtlich werden, wie sie das Thema Biodiversität am besten angehen können und was zu ihrem Betrieb passt. Weiterhelfen sollen die Biodiversitätsberater der Landwirtschaftsämter. Außerdem gibt es den Bioland-Beratungsdienst Esslingen.
Netzwerk Das Land möchte in jedem Landkreis einen Demobetrieb zum Thema Artenvielfalt ausweisen. Landwirte sollen sich dort austauschen und Fachveranstaltungen, wie beispielsweise Feld- und Praxistage, besuchen können. Die Betriebe sollen für die berufliche Aus-, Fort- und Weiterbildung zur Verfügung stehen. com