Es ist aus. Aus für das Hattenhofer Werk der Schweizer Group Global, die in Insolvenz geraten ist. So sehen das der Insolvenzverwalter Marcus Winkler wie der Gewerkschafter Martin Purschke. Die Ausproduktion endete vor Ostern, berichtet Purschke. Die Maschinen seien zum großen Teil abgebaut, das Werk werde geleert. Für die Restabwicklung von ein, zwei Monaten seien noch sieben, acht Leute da. Ein Teil der Maschinen sei schon vorher nach Roding gebracht worden, weil ein kleiner Teil der Produktion ausgelagert worden sei. Der Genickschlag, sagt er, sei im letzten Herbst gekommen, als der Hauptkunde des Werkes ausgestiegen sei. Das war ein namhafter Automobilhersteller, der über die Jahrzehnte Teile aus Hattenhofen bezogen hat – Teile aus Aluminiumdruckguss, für die das Werk der Schweizer Group und früher die Firma Plattenhardt Spezialist waren.
Es kam alles zusammen: Die Insolvenz, Corona, und dann brachen die Aufträge weg. Auch sei das Werk nur noch eine leere Hülle gewesen, sagt Purschke. Die Insolvenz über zwei Jahre – eigentlich zwei Insolvenzen mit einem Intermezzo, als es mit einem US-Investor weitergehen sollte – habe Spuren hinterlassen. Die neue Schweizer Group sei nur noch eingemietet gewesen. Für die zweite Insolvenz gibt es jetzt auch eine gewisse Erklärung. Der neue Eigentümer sei nicht so gut mit Kapital ausgestattet gewesen, sagt Purschke. Er hätte schon so antreten müssen, dass er auch mal ein Jahr mit Verlust durchstehe. So sei er nach wenigen Monaten am Ende gewesen. Zuletzt waren es noch 100 Mitarbeiter in der Ausproduktion, sagt Purschke. Für sie und die zuvor schon freigestellten Kollegen sei es bitter. Wenn da einer 30 oder 40 Jahre gearbeitet habe, Tag- und Nachtschichten und am Wochenende, und jetzt mit vielleicht Mitte 50 auf der Straße stehe: „Das ist eine ganz schwierige Situation.“ Wenn sich das Leben all die Zeit um die Arbeit gedreht hat und jetzt die Frage sei: Was passiert? Und dann auch noch so: „Kein Ausgleich, keine Abfindung“, sagt Purschke. Jedenfalls nicht jetzt. Es gebe zwar einen Sozialplan, aber der Anspruch auf Abfindung werde erst beim Ende des Insolvenzverfahrens wirksam. „Das dauert oft Jahre.“ Und da rede man von höchstens 2,5 Brutto-Monatslöhnen. Im Einzelfall könnten das auch nur ein paar Hundert Euro sein. Purschke beklagt auch den Verlust an Wissen, der mit dem Ende des Werkes einhergeht. Schweizer Group hatte eine Aluminiumgießerei – jetzt gebe es noch eine in Amstetten. Dabei habe das Aluminium durchaus eine Zukunft, auch wenn die E-Fahrzeuge auf dem Vormarsch sind und keinen vielteiligen Motorblock haben. Verbrennungsmotoren werde es noch lange geben, meint Purschke. Und man hätte eben auch auf die Fertigung von Komponenten im Auto gehen müssen. Das hatte der damalige Geschäftsführer der Schweizer Group, Dr. Roger Breu, angestrebt. Es lief auch noch ein Umbau. Aber dann stotterte der Motor bei der Autobranche, es gab den Abgasskandal und einen Rattenschwanz von Folgen.
Das Aus kommt für das größte Werk der damaligen Schweizer Group in Hattenhofen und auch für das Werk in Murrhardt. Aber: Weiter geht es für die Werke im bayerischen Roding und im sächsischen Plauen. Das teilt Insolvenzverwalter Winkler mit. Diese Werke übernimmt die Weber Holding aus Markdorf am Bodensee, wenn alle Details geklärt sind. In Roding sollen alle 110 Arbeitsplätze erhalten werden, in Plauen nur die Hälfte von zuletzt 126. Die Weber Holding ist ebenfalls Autozulieferer und kennt die Schweizer Group schon als Kunde, heißt es in einer Pressemitteilung des Insolvenzverwalters. Sie sehe den Zukauf als „strategischen Meilenstein“ für den Systemlieferanten Weber. Geschäftsführer ist dort Roger Breu, vormals bei Schweizer Group.
Eine Abwärtsspirale
1998 Die Schweizer Group übernimmt das Druckgusswerk Plattenhardt in Hattenhofen. Es wird das größte Werk der Gruppe, hier zieht die Zentrale ein.
2015 Eine Industrieholding aus München steigt als Mehrheitsgesellschafter ein.
2018 Die Schweizer Group geht in Insolvenz. Einer Sanierung sind zuvor 100 Arbeitsplätze zum Opfer gefallen.
2019 Mit einer US-Firma geht es weiter. 90 Arbeitsplätze fallen weg. Der neue Eigentümer muss nach vier Monaten ebenfalls Insolvenz anmelden.
2021 Die Weber Holding aus Markdorf übernimmt zwei der vier Werke in Deutschland. Für Hattenhofen und Murrhardt kommt das Aus. js