Kino, Konzert oder Kneipe – vor allem Jugendliche, die sich am Wochenende die Nacht um die Ohren schlagen, stellen sich hinterher meist dieselbe Frage: Wie komme ich heim? Bisher war das Anruf-Sammeltaxi in entlegeneren Gebieten die einzige Alternative, wenn Linienbusse oder Bahnen nicht mehr verkehren. Was die Stadt Wernau ab 1. Juli als kreisweit erste Kommune testet, hilft vergnügungshungrigen Nachtschwärmern zwar nicht generell aus der Patsche, könnte aber ein Modell sein, aus dem künftig mehr wird.
On-Demand-Verkehre – also Fahrten auf Bestellung – sind im Bemühen, den Nahverkehr flexibler zu gestalten, keine neue Erfindung. Im Kreis Ludwigsburg läuft ein ähnlicher Versuch, die Stuttgarter Straßenbahn AG bietet mit „SSB Flex“ seit dem Jahreswechsel ihren Kunden eine Alternative zum starren Fahrplan. Worum geht es? Der Schlüssel zu einem bedarfsgerechteren Angebot liegt wie so häufig in digitaler Technik. Kunden teilen ihren Fahrtwunsch per App dem Verkehrsunternehmen mit, ein Algorithmus errechnet anschließend die sinnvollste Fahrstrecke und weitere Zustiegsmöglichkeiten. Dafür gibt es zum bestehenden Haltestellen-Netz im Wernauer Stadtgebiet fünf zusätzliche „virtuelle“ Haltestellen, die
Die Stadt Wernau will das Modell nun als erste Kommune im Kreis testen. Vorerst nur in den Abend- und Nachtstunden täglich ab 20 Uhr. Am Wochenende bis vier Uhr am frühen Morgen. Partner ist das Remstäler Busunternehmen Schlienz. In Kirchheim, das Teil des Linienbündels ist, wurde zuletzt noch gezögert. Auch dort kam das Angebot im vergangenen Jahr auf den Tisch, fand aber erst gar nicht den Weg zur Abstimmung in den Gemeinderat. Begründung: zu teuer und nicht ausgereift. Für die beiden betreffenden Gebiete im Münzen und am Milcherberg hätte das Zusatzangebot die Stadt rund 100 000 Euro gekostet. Bürgermeister Günter Riemer sieht daher noch Beratungsbedarf, steht dem Modell, wie er betont, aber aufgeschlossen gegenüber. „Wenn wir wollen, dass das Auto stehen bleibt, brauchen wir in Zukunft flexiblere Angebote“, sagt Riemer .
Diese Meinung teilen Verkehrsexperten schon lange. Für sie ist der Busverkehr mit fest getaktetem Fahrplan und starrem Liniennetz kein Modell für die Zukunft. Bisher zählten On-Demand-Angebote rein rechtlich nicht zum Nahverkehr und passten damit auch bei der Finanzierung nicht ins komplizierte Solidarsystem von Land und Kommunen. Seit der Bundestag im März vergangenen Jahres das Gesetz überarbeitet hat, ist das anders.
Deshalb denkt man im Landkreis Esslingen gemeinsam mit dem VVS inzwischen über eine Ausweitung des Angebots nach. Ein entsprechendes Konzept sei in Arbeit, heißt es seitens der Behörde. Einhellig ist auch die Meinung unter den Mitgliedern des Kreistags. Breite Zustimmung quer durch alle Fraktionen erlebt man dort selten. Wertvolle Erkenntnisse für einen Betrieb auch über die Abendzeiten hinaus erhofft sich nicht nur Bernhard Richter, Fraktionschef der Freien Wähler, vom Wernauer Modellversuch. Seinen Kollegen Peter Rauscher von den Linken freut der Testlauf ganz besonders: „Damit wird eine seit Langem gestellte Forderung unserer Fraktion endlich erhört.“
Der reguläre Busverkehr lässt sich dadurch nicht ersetzen – zumindest im Moment nicht. In dünn besiedelten Räumen, zu Nachtzeiten und für den letzten Kilometer bis zur Haustür allerdings schon. In der 12 000-Einwohner-Stadt Wernau sieht man das Angebot vor allem als Shuttle-Service von und zur S-Bahn in Stadtrandlage. Bezahlbar ist das Ganze obendrein: Die jährlichen Mehrkosten bei gleichzeitigem Wegfall des Sammeltaxis betragen 7500 Euro, von denen die Hälfte der Landkreis übernimmt.