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Wernauer Baggerseen: Flussregenpfeifer sind willkommen

Naturschutz Beim Pflegeeinsatz an den Wernauer Baggerseen kommen auch Motorsäge und Motorsense zum Einsatz. Die Hauptarbeit aber machen Schafe, die das ganze Jahr dort weiden. Von Karin Ait Atmane

Die Kiesfläche soll nicht zuwachsen. Harald Brandstetter und Tatjana Ircona beim Entkrauten.

Die Pflegeinsätze an den Wernauer Baggerseen finden grundsätzlich im Winter statt, wenn die Natur ruht. Aber an diesem 17. Februar ist Frühling. Am Neckardamm, wo die Helferinnen und Helfer sich treffen, zwitschern und pfeifen die Vögel. Von hier aus geht’s rein ins Naturschutzgebiet, ein Teil der Gruppe wird junge Weiden und Erlen stutzen, um dem Schilf mehr Raum zu verschaffen, die anderen wollen eine Kiesfläche vom Bewuchs befreien, damit sie für Flussregenpfeifer attraktiv ist.

Was Menschen hier tun können, sind punktuelle, unterstützende Eingriffe. „Die Hauptpflege sind die Schafe!“, stellt Roland Appl fest, der den Einsatz für den Nabu-Kreisverband organisiert und das Schutzgebiet schon seit Jahrzehnten begleitet. Ohne die regelmäßige Beweidung würde alles zuwachsen. Aktuell ist aber im Bereich einer Schilffläche das Gestrüpp so dicht geworden, „dass die Schafe gar nicht mehr hinkommen“, sagt Appl. Hier kommen Motorsäge und Motorsense zum Einsatz: zwei Freiwillige kappen die Gehölze, die anderen ziehen und tragen die Äste nach draußen, wo sie zu großen Haufen aufgeschichtet und später abgeholt werden. Schon vor drei Wochen war ein Team aktiv und hat vor allem gegen dorniges Gebüsch wie Weißdorn und Brombeeren gekämpft.

Station für viele Zugvögel

Den Helfern offenbaren sich spannende Einblicke ins Innere des Schutzgebiets, das ansonsten nur von wenigen Befugten betreten werden darf. Auf dem Weg zur Kiesfläche zeigt Harald Brandstetter vom Nabu eine Stelle am Ufer des sogenannten „Daimler-Sees“, wo Biber aktiv waren und einige Bäume gefällt oder angenagt haben. Ein Biberpaar habe seinen Bau hier auf dem Gelände, ein weiteres jenseits des Neckars im Bereich Erblehensee, berichtet Brandstetter, der Biberberater des Landkreises ist. Er macht die Helfer auch auf einen weißen Fleck am anderen Ufer aufmerksam: Da sitzt ein Silberreiher; einige dieser Vögel sind im Winter regelmäßig an den Baggerseen zu Gast. Kürzlich sei außerdem eine große Rohrdommel gesichtet worden, erzählt Appl. Für durchziehende Vögel ist das Gelände eine wichtige Station, denn sie folgen auf ihren Zügen gern Wasserläufen wie dem Neckar und finden an den Baggerseen eine Möglichkeit, Rast zu machen oder auch länger zu bleiben.

Rund 40 Kormoranpaare haben im Schutzgebiet ihre Nester, die auf den nackten Baumgerippen, abgestorben durch den ätzenden Kot dieser Vögel, deutlich zu sehen sind. Ebenso brüten hier acht bis zehn Graureiherpaare und an die 15 Gänsepaare. Die Gänse fliegen auch an diesem Vormittag immer wieder mit lautem Geschrei über die Köpfe hinweg. Wahrscheinlich wurden sie auf den nahen Wiesen von Spaziergängern aufgeschreckt und bringen sich in Sicherheit. Auch drei große Möwen kreisen über der Wasserfläche. Der Größe nach seien das wohl Mittelmeermöwen, die zunehmend auch in Süddeutschland auftauchen, sagt Harald Brandstetter.

Pufferzone zur PV-Anlage

Ein Flussregenpfeifer wurde zuletzt vor einigen Jahren gesichtet. Er brütet auf nackten Kiesflächen, wie sie bei Gebirgsflüssen durch Hochwasser und Verschiebungen immer wieder neu entstehen. Im Naturschutzgebiet muss man aktiv dafür sorgen, dass eine solche Fläche frei bleibt. Vor drei Jahren wurde Kies maschinell gewaschen und wieder aufgebracht, jetzt soll das wieder sprießende Grün von Hand gezupft werden, was bei dem nassen Boden gut möglich ist. Das ist beinahe wie Unkrautjäten im Hausgarten, nur, dass man sich nebenbei unterhalten kann. Andreas Jäkel, der schon öfter beim Pflegeeinsatz dabei war, und Tatjana Ircona als „Neuling“ tauschen sich aus. Die junge Frau, die in Wendlingen wohnt, hatte sich vor einiger Zeit über Müll am Neckardamm geärgert und bei den Behörden angefragt „ob man hier nicht mal ein Clean-up organisieren könnte“, erzählt sie. Sie wurde auf den Pflegeeinsatz verwiesen, der zwar einen etwas anderen Charakter hat, aber nebenbei eine Menge interessanter Informationen vermittelt. Und während man vom Uferweg aus immer nur einen Ausschnitt des großen Baggersees sieht, zeigt sich beim Arbeitseinsatz die ganze Wasserfläche, die rund zwölf Hektar groß ist.

Auch um die geplante Freiflächen-Photovoltaikanlage auf dem angrenzenden Grundstück der ehemaligen Daimler-Teststrecke wird an diesem Tag gesprochen. Der Nabu hat jüngst zwei kritische Stellungnahmen dazu geschrieben. Ihnen sei wichtig, dass zumindest die Pufferzone zum Naturschutzgebiet vergrößert werde, betont Roland Appl: „Im Moment wäre es so, dass neben dem Biberbau die ersten drei Module stehen.“