Weilheim · Lenningen · Umland
Wernaus Bürgermeister sieht sich bedroht

Bauvorhaben Am Lindenkreuz wurde ein Transparent gegen ein Bauprojekt aufgehängt, das der Bürgermeister und die Mitglieder des Gemeinderats als Bedrohung empfinden. Die Polizei ermittelt. Von Karin Ait Atmane

Lange kann das große Transparent, aufgespannt zwischen dem Wegkreuz an der Brunnenstraße und dem Baum daneben, nicht gehangen haben. Der Wernauer Wassermeister hat es  gesehen, als er auf der Brunnenstraße vorbeifuhr. Er informierte Bürgermeister Armin Elbl, der wiederum den örtlichen Polizeiposten benachrichtigte. Die Beamten haben Spuren gesichert und das Pamphlet abgehängt. Sein Inhalt machte trotzdem die Runde in der Stadt: „Elbl wenn diese Bebauung Ihr letzter Akt ist dann bitte um die Gnade Gottes, für Sie und die zustimmenden Räte.“

Hintergrund der Sache ist, dass der Gemeinderat Ende 2021 beschlossen hatte, die Grundstücke unterhalb des alten Wegkreuzes als Bauplätze für Einzel- oder Doppelhäuser zu verkaufen und den Bebauungsplan entsprechend zu ändern. Daraufhin regte sich Protest, vor allem in der Katholischen Kirchengemeinde St. Erasmus. Auch Unterschriften gegen das Vorhaben wurden gesammelt. Der Gemeinderat hat das Projekt dann zunächst ruhen lassen.

In dieser Woche sollte über das weitere Vorgehen beraten werden. Denn mittlerweile sind alle Bauplätze für Privatleute im Gebiet Adlerstraße-Ost vergeben und etliche Interessenten gingen leer aus. Sie wurden im August per E-Mail angeschrieben und gefragt, ob sie grundsätzlich auch an einem Grundstück an der Brunnenstraße, „Bei den Linden“, interessiert wären. 15 von 127 Angefragten äußerten Interesse, elf signalisierten Ablehnung – und dann hing plötzlich das Plakat, das manche lustig finden mögen, in dem der Bürgermeister aber eindeutig eine „Droh­aktion“ sieht. „Es ist aus meiner Sicht ein ganz klarer Versuch, die Entscheidung des Gemeinderats zu beeinflussen“, sagte er in der Sitzung. Ihn treffe dieser Wortlaut so, dass er sich nicht in der Lage sehe, an diesem Abend etwas zum Thema zu beschließen.

„Eine absolute Katastrophe“

Es sei „die absolute Katastrophe, dass wir auf dieses Niveau der Diskussion gesunken sind in Wernau.“ Auch seine Stellvertreterin Sabine Dack-Ommeln (WBL/JB) sah Bürgermeister und Ratsmitglieder bedroht. „Als Demokraten verurteilen wir diese Aktion aufs Schärfste“, sagte sie. Aus ihrer Sicht „wäre es angezeigt, dass sich die katholische Gemeinde von dieser Aktion distanziert“. Anschließend sorgte der Gemeinderat dafür, dass er als Gremium nicht mehr beschlussfähig war: Alle Ratsmitglieder standen geschlossen auf und traten einen Schritt vom Ratstisch zurück. Dafür gab’s Beifall aus den Zuhörerreihen im Saal, der Beschluss über das weitere Vorgehen beim Bebauungsplan „Bei den Linden“ ist verschoben.

Die Stadt Wernau habe schriftlich eine Anzeige erstattet, bestätigt Lutz Jaschke, Sprecher im Reutlinger Polizeipräsidium. „Aufgrund des politischen Hintergrundes“ sei diese vom Wernauer Polizeiposten an die Kripo weitergeben worden, die erste Ermittlungen durchgeführt habe. Ob hier tatsächlich ein Straftatbestand vorliege oder nicht, müsse nun die Staatsanwaltschaft in Stuttgart beurteilen.

Wernau ist kein Einzelfall

Wernau ist kein Einzelfall im Kreis. In diesem Jahr hat der Rathaus-Chef von Kohlberg eine Morddrohung erhalten, er tritt deshalb zum 30. September zurück. Im Gemeindeblatt schreibt Rainer Taigel (58): „Insbesondere in den letzten Jahren waren wir im Rathaus verstärkt Ziel von Anfeindungen, Beleidigungen und sogar tätlichen Angriffen.“

 

Katholiken distanzieren sich von Pamphlet

Im Streit über die Bauvorhaben beim Lindenkreuz in Wernau reagieren nun die Kirchengemeinden. Die katholischen Kirchengemeinden in Wernau distanzieren sich klar von dem Transparent, das am Lindenkreuz in der Brunnenstraße aufgehängt war. Die Kirchengemeinden St. Erasmus und St. Magnus haben sich nun über Dekanatsreferent Bernhard Wuchenauer zu Wort gemeldet und „distanzieren sich ausdrücklich von der respektlosen, beleidigenden und demokratiewidrigen Protestform und deren Inhalten am Lindenkreuz“. Sie fordern die Urheber des Pamphlets auf, aus der Anonymität zu kommen und den Mut aufzubringen, sich zu entschuldigen. Durch die Aktion werde „die Atmosphäre des Dialoges zwischen Kommunalverwaltung und Bürgerinnen und Bürgern, Gemeindemitgliedern und Anliegern“ zu ihren unterschiedlichen, aber berechtigten Interessen vergiftet.

In der Gemeinderatssitzung am Montag hatte Sabine Dack-Ommeln (Wernauer Bürgerliste/Junge Bürger) die Kirchengemeinde zu einer Distanzierung aufgefordert. Denn vor allem in den Reihen von St. Erasmus hatten die Pläne des Gemeinderats für die Bebauung hohe Wellen geschlagen, es waren auch Unterschriften gesammelt worden. Man fürchtete um die Atmosphäre an diesem besonderen Ort. Auch der Wortlaut des Plakats legt einen kirchlichen Bezug zumindest nahe. Aber, schreibt Wuchenauer, diese Protestform entspreche „nicht dem Stil der Kirchengemeinden und der Gemeindemitglieder, um ihre Standpunkte zum Erhalt des Lindenkreuzes darzustellen“. Man wolle die jeweiligen Interessen weiterhin „offen, respektvoll und ehrlich einbringen und vertreten“. ka