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Wie der Bürgerbus im Lenninger Tal älteren Menschen hilft

Mobilität Was tun, wenn man nicht mehr Auto fahren kann und der Weg zum Supermarkt oder zur Apotheke zu weit ist? Im Lenninger Tal ist das ein lösbares Problem – dank dem Bürgerbus von „Unser Netz“. Von Antje Dörr

Walter Raichle hilft Friederike Schmidts in den Bürgerbus. Foto: Carsten Riedl

Jahrelang ist Friederike ­Schmidts von ihrer Wohnung nahe der Owener Teckhalle mit dem Einkaufswägele zum Nahkauf gelaufen. Jetzt ist sie 88 Jahre alt und sagt: „Ich kann es nicht mehr.“ Wenn der Kühlschrank leer ist, ruft die Frau, die aus Siebenbürgen stammt, beim Rathaus an und reserviert sich einen Platz im Bürgerbus von „Unser Netz“, der jeden Donnerstagvormittag durch Owen, Brucken und Unterlenningen fährt. Dienstagnachmittags ist das Obere Tal dran. „Ich bin so froh, dass es diesen Bus gibt“, sagt Schmidts, die das Kochen noch nicht aufgeben will. Und auch das selbst Einkaufen nicht. „Während der Pandemie haben die Enkel eingekauft, aber da waren oft nicht die richtigen Sachen dabei“, sagt sie und lacht. 

 

Ich bin so froh, dass es diesen Bus gibt.
Friederike Schmidts, Owenerin, über den Bürgerbus
 

Während Friederike Schmidts davon erzählt, wie der Bürgerbus ihr dabei hilft, selbstständig zu bleiben, lenkt Walter Raichle den Bus wieder auf die B 465 Richtung Unterlenningen. Dort warten noch zwei weitere Damen darauf, abgeholt zu werden. Raichle und seine Frau Lilo, die als Begleitperson neben ihm sitzt, sind Ehrenamtliche der ersten Stunde. Beide sind bereits im Ruhestand und haben Freude daran, ältere Menschen wie Friederike Schmidts beim Einkaufen zu begleiten. Die Aufgaben sind klar verteilt: Walter Raichle fährt, hilft beim Ein- und Aussteigen, verstaut die Einkäufe in Plastikboxen im Kofferraum und trägt sie bei Bedarf ins Haus. Lilo Raichle begleitet die Fahrgäste, unterstützt mit dem Einkaufswagen, beim Heraussuchen der Waren oder beim Bezahlen. 

In Unterlenningen klingelt Walter Raichle bei Regina Schlecht. Die fast 90-jährige Dame nutzt die Einkaufsfahrten des Bürgerbusses jede Woche und freut sich schon auf den Ausflug. Auch die 82 Jahre alte Waltraud Schönleber, ebenfalls Stammgast, wartet bereits am Straßenrand. Auf dem Weg zu „Aldi“ plaudern die drei Damen über ihre Gesundheit, Erlebnisse bei Ärzten und im öffentlichen Nahverkehr.

„Gebet net so viel Geld aus“, scherzt Walter Raichle, als seine Ehefrau mit Regina Schlecht Richtung „Aldi“ loszieht. „Wir müssed doch a bissle die Wirtschaft ankurbeln“, gibt die 89-Jährige schlagfertig zurück. Zügig schiebt sie ihren Rollator Richtung Eingang, Lilo Raichle übernimmt den Einkaufswagen. Die beiden anderen Damen erledigen alles selbstständig, Regina Schlecht braucht hingegen etwas Unterstützung. Gemeinsam mit Lilo Raichle packt sie Brot, Waschpulver und Brokkoli ein, begutachtet Tomaten und Erdbeeren. Die Ehrenamtliche kennt die Vorlieben der alten Dame, weiß, dass sie am liebs­ten den griechischen Joghurt isst. Und den Käse mit dem Bergbauern drauf. Dann geht’s in Richtung Kasse. „Das reicht mir jetzt für eine Woche und darüber hinaus“, sagt Regina Schlecht, die oft gefragt wird, ob sie mit dem amtierenden Lenninger Bürgermeister verwandt ist. Das ist nicht der Fall. Allerdings sei sie die Sekretärin seines Vorgängers gewesen.

Nach einem kurzen Abstecher zu „Müller“ sind die meisten Einkäufe erledigt. Später werden Walter und Lilo Raichle die Damen wieder nach Hause fahren und ihnen die Einkäufe ins Haus tragen. Gabriele Riecker, die Leiterin der Koordinationsstelle von „Unser Netz“, also des Trägervereins, glaubt, dass das mit der Grund ist, warum der Bürgerbus so gut genutzt wird. „Keiner unserer Fahrgäste könnte zu einem bestimmten Haltepunkt kommen und dann auch wieder die Einkäufe ab einem bestimmten Punkt nach Hause tragen“, sagt Riecker. „Sonst könnten sie ja auch den Bus nehmen.“

Für Verena Grötzinger ist der Bürgerbus ein Herzensprojekt. Der Owener Bürgermeisterin ist es zu verdanken, dass es das Angebot überhaupt gibt. Mit Unterstützung durch die Adolf-Leuze-Stiftung hat die Stadt Owen den Bus gekauft und stellt ihn seitdem kos­tenfrei „Unser Netz“ zur Verfügung. „Mit diesem Projekt ermöglichen wir wirklich Teilhabe. Und sorgen dafür, dass die Menschen so lange wie möglich in ihren eigenen vier Wänden bleiben können“, sagt Verena Grötzinger, die seit 2011 Vorsitzende des Vereins „Unser Netz“ ist. Es ist ihr wichtig, zu betonen, dass Kommunen wie Owen nicht verhindern können, dass Angebote wie Apotheken verloren gehen. „Aber mit dem Bürgerbus kann man sich nach Unterlenningen fahren lassen und dort in die Apotheke gehen“, sagt sie. Dankbar ist sie, dass so viele Ehrenamtliche bereit sind, sich als Fahrer des Bürgerbusses zu engagieren.

 

Wie der Bürgerbus genutzt wird

Zeiten Dienstags ab 14 Uhr werden Menschen aus Schopfloch, Krebsstein, Gutenberg, Schlattstall und Oberlenningen zum Einkaufen gefahren. Donnerstags ab 9.30 Uhr nimmt der Bürgerbus die Bewohner Unterlenningens, Bruckens und Owens mit. Die Teilnehmerzahl an den Einkaufsfahrten ist auf fünf begrenzt. Wer mitfahren möchte, sollte sich im Owener Rathaus unter der Nummer 0 70 21/80 06 22 anmelden, und zwar bis spätestens 11 Uhr am Vortag. Alle Geschäfte in Lenningen und Owen werden angefahren. Die Fahrten sind kostenlos, Spenden sind willkommen.

Nachfrage Ursprünglich nur für Einkaufsfahrten angeschafft, ist der Bürgerbus mittlerweile fast die ganze Woche unterwegs. Unter anderem fährt er jede Woche die Gäste zum Montagstreff und von dort wieder nach Hause. Dienstags kutschiert ein Fahrer eine Gruppe Damen aus Owen zum Sport nach Brucken. Donnerstag­nachmittags werden Asylbewerber aus Oberlenningen zum Einkaufen gebracht. Auch bei Ausflügen des Pflegeheims ist er im Einsatz oder wenn besondere Feste wie der Maientag stattfinden. Kein Wunder also, dass „Unser Netz“ neue Fahrer gebrauchen könnte, die die stetig steigende Zahl an Fahrten abdecken können. Aktuell sind die Fahrer zwischen Anfang 30 und 80 Jahre alt. adö