Warum möchte eine Seniorin Knall auf Fall mehrere Zehntausend Euro in bar von ihrem Konto abheben? Einer aufmerksamen Bankmitarbeiterin kam die Sache verdächtig vor. Nachdem ihr die Kundin ihre Notlage geschildert hatte, informierte sie die Polizei. Und sie hatte recht: Dahinter verbarg sich ein übler Trickbetrug. So geschehen Ende August in Altbach. Ums Haar wäre die Seniorin Opfer einer Ganovin geworden. So aber konnte die 32-Jährige bei der Geldübergabe von Polizisten in flagranti festgenommen werden.
Nur selten gelingt so ein erfolgreicher Zugriff. Immer häufiger kommen Betrüger mit allen möglichen Maschen durch. Allein im Bereich des Polizeipräsidiums Reutlingen, das für die Landkreise Esslingen, Reutlingen, Tübingen und Zollernalb zuständig ist, wurden im vergangenen Jahr 2879 Fälle registriert. Der dadurch entstandene Schaden beläuft sich bei 83 tatsächlich erfolgreichen Tricksereien auf rund 1,6 Millionen Euro.
Zu vermuten ist, dass noch deutlich mehr Menschen, meist Senioren, auf die Betrügereien hereinfallen. „Die Opfer, die teils hohe Summen verlieren, schämen sich und zeigen die Tat deshalb nicht an“, berichtet Andrea Kopp, Sprecherin des Polizeipräsidiums. „Nicht einmal ihren Angehörigen erzählen sie davon.“ Wie hoch die Dunkelziffer ist, könne sie aber nicht sagen. Zahlen von diesem Jahr liegen noch nicht vor. Doch ist zu befürchten, dass sich das Problem eher verschlimmert hat, trotz intensiver Präventionsarbeit, die Beamte beispielsweise bei Seniorenvereinen oder in Geldinstituten leisten.
Der Fall in Altbach spielte sich nach einem oft praktizierten Muster ab. Die Seniorin bekam im Laufe eines Tages mehrere Anrufe von Unbekannten. Darunter waren zwei Männer, die sich als Staatsanwalt und Richter ausgaben. Sie behaupteten, Angehörige der Frau hätten einen tödlichen Unfall verursacht. Nur gegen eine Kaution in Höhe von mehreren Zehntausend Euro könne eine zu erwartende Haftstrafe abgewendet werden. Den genauen Betrag will die Polizei aus ermittlungstaktischen Gründen nicht nennen. Denn dabei handele es sich um reines Täterwissen. Die Männer setzten die Frau bei ihren Anrufen so unter Druck, dass diese zu ihrer Bank ging, um den geforderten Betrag abzuheben. Die Bankangestellte schöpfte Verdacht und schaltete die Polizei ein.
Die Seniorin wurde informiert, dass da ganz offenbar Betrüger am Werk seien. Zum Schein ging sie nach Absprache mit den Beamten auf die Anweisungen der Ganoven ein. Um 20 Uhr sollte vor ihrem Wohnhaus in Altbach die Geldübergabe erfolgen. Doch da ging eine 32-Jährige in die Falle, als sie den vereinbarten Geldbetrag in Empfang nehmen wollte. Die Frau wurde daraufhin dem Haftrichter vorgeführt, der umgehend einen Haftbefehl erließ. Die Tatverdächtige sitzt nach Angaben von Polizeisprecherin Kopp weiter in Untersuchungshaft. Die Ermittlungen zu dem Fall dauern an. Vor allem forscht die Polizei nach weiteren Hintermännern und Komplizen. Und das gestaltet sich oftmals sehr schwierig. Viele Callcenter, von denen die dubiosen Telefonate mit den Opfern geführt werden, seien in der Türkei angesiedelt, berichtet die Polizeisprecherin.
In rund 60 Prozent der Fälle agierten die Betrüger mit der Masche „Falscher Polizeibeamter“. Da sei stets große Vorsicht geboten, so Kopp. „Die Polizei wird nie bei irgend jemandem anrufen, um ihn über sein Vermögen auszufragen, oder ihn gar zu einer Übergabe von Geld oder Wertgegenständen auffordern.“ Genauso defensiv solle man sich beim Enkeltrick verhalten. „Weißt du, wer dran ist?“ So oder ähnlich melden sich Anrufer und geben sich als Enkel, Neffe oder andere Verwandte aus. Immer geht es um angebliche Notlagen, aus denen der Angerufene heraushelfen soll. Da sei es ratsam, die Telefonnummer des Anrufers zu notieren und die Angaben mit Angehörigen zu überprüfen. Faustregel: kritisch sein und sich nicht unter Druck setzen lassen.
Ebenso ausgebufft arbeiten Trickbetrüger mit Gewinnversprechen. Die Anrufer geben sich nicht selten als Rechtsanwälte, Notare oder sonstige Amtspersonen aus, täuschen seriöse Rufnummern vor und geben klare Zahlungsanweisungen. Auch da der eindeutige Rat der Polizei: „Schenken Sie telefonischen Gewinnversprechen keinen Glauben, schon gar nicht, wenn solche Zusagen an Bedingungen geknüpft sind.“
„Vor allem bei Schockanrufen, die eine Notlage von Angehörigen vorgaukeln, ist große Vorsicht geboten“, sagt die Reutlinger Polizeisprecherin Andrea Kopp. „Die Anrufer sind absolut geschult und wissen, wie sie mit solchen Hiobsbotschaften operieren können.“ Deswegen kann sie jedem nur raten: „Sich nicht bequatschen lassen und lieber gleich auflegen.“
Sechs Tipps für die Sicherheit
Auflegen Sich am Telefon nicht unter Druck setzen lassen. Den Hörer auflegen, wenn etwas merkwürdig erscheint.
Keine Auskünfte Niemals am Telefon über die persönlichen und finanziellen Verhältnisse sprechen.
Nichts übergeben Geld oder Wertgegenstände niemals an unbekannte Personen übergeben.
Rat suchen Mit der Familie oder anderen Vertrauten über den verdächtigen Anruf sprechen.
Nicht zurückrufen Wer sich unsicher ist: Die Polizei unter der 110 (ohne Vorwahl) oder die örtliche Polizeidienststelle anrufen. Nicht die Rückruffunktion nutzen.
Anzeige erstatten Wer glaubt, Opfer eines Betrugs geworden zu sein, sollte sich an die Polizei wenden und Anzeige erstatten. hf