Einige Zuhörerinnen und Zuhörer waren am Dienstagabend zur Lenninger Gemeinderatssitzung gekommen. Der Grund: Die Zukunft des Areals der ehemaligen Papierfabrik Scheufelen stößt in der Bevölkerung auf großes Interesse. So präsentierte Michael Schröder vom Stuttgarter Büro „Wick + Partner Architekten Stadtplaner“ die entwickelte Grundkonzeption für das 20 Hektar große Quartier.
„Wir stellen uns einer Aufgabe, die unheimlich komplex ist“, sagte Schröder eingangs. Der Prozess habe mit dem Tag der offenen Tür begonnen, der im November 2022 stattgefunden hatte und bei dem auch die Besucherinnen und Besucher Vorstellungen einbringen konnten. Im vergangenen Jahr gab es dann zwei Workshops des Gemeinderats und der DLE Development GmbH, der Eigentümerin des Geländes mit Sitz in Berlin. Schröder sprach im jetzigen Stadium von einer Vision, „die wir in einzelnen Schritten umsetzen wollen“. Das Ganze werde sich über Jahre hinziehen, ergänzte er und warf die Jahreszahl 2040 bis zur endgültigen Realisierung in den Raum. Einige Fragen gelte es zu klären, „und es kommen Herausforderungen auf uns zu“ – auch deshalb, weil man sich mit einem Erbe auseinandersetzen müsse: Auf dem Grundstück gibt es historisch Bausubstanz und denkmalgeschützte Bauten. Lösungen müssten in Abstimmung mit dem Denkmalschutz gefunden werden.
Angedacht ist, ein nachhaltiges Quartier mit einem Mix aus Arbeiten, Wohnen und Freizeit zu schaffen. Die Konzeption soll dabei in Anlehnung an den ehemaligen Charakter und die Geschichte des Ortes erfolgen. So sieht das Konzept ein Wohn-Quartier entlang der Lauter vor, ein sogenanntes urbanes Quartier (eine Mischnutzung) westlich der Bundesstraße und ein produktives Quartier mit Gewerbe entlang der Bahn. Dabei soll die Lauter als prägendes Naturelement eine große Rolle einnehmen, betonte Schröder. So soll der Fluss mit Nachbarschaftspark und Freizeitmöglichkeiten (wieder-) erlebbar gemacht werden. Auch die Aspekte der Schwammstadt sprach Schröder in diesem Zusammenhang an: Dabei handelt es sich um ein Konzept der Stadtplanung, bei der Regenwasser gespeichert werden soll anstatt es zu kanalisieren und abzuleiten.
In der Konzeption vorgesehen sind nachhaltig geplante Gebäude, die ihre eigene Energie erzeugen. Neben der klassischen Wohnnutzung in unterschiedlichen Formen und Haustypen sind sozial-kulturelle Nutzungen, studentisches und genossenschaftliches Wohnen, Seniorenwohnen sowie „Office und Coworking“ geplant. Mit ergänzenden Nutzungen der Nahversorgung von Markt, Café und Bäckerei bis hin zu einem Ärztehaus soll das Quartier wachsen und sich entwickeln.
„Die Chancen und Potenziale liegen darin, das Scheufelen-Areal zu öffnen und als verbindendes Element zwischen Ober- und Unterlenningen zu etablieren“, verdeutlichte Schröder. Die Aufgabe sei, mit dem Erbe umzugehen und die Identität vor Ort zu sichern. Schröder sprach von 550 bis 650 Wohneinheiten mit mehr als 1300 Bewohnerinnen und Bewohnern sowie einer Kita, die auf dem Gelände entstehen sollen. Insgesamt solle das Quartier verkehrsberuhigt und „Auto-arm“ sein und über ein dichtes Netz an Fuß- und Radwegen verfügen.
„Bei der Entwicklung des Scheufelen-Quartiers sehen wir große Herausforderungen, aber auch große Chancen“, sagte Bürgermeister Michael Schlecht. Wie auch Schröder sprach er den Flächennutzungsplan an, der geändert werden müsse. Denn aktuell sei das Areal überwiegend Gewerbegebiet; künftig soll es ein gemischt genutztes Quartier sein. Für die Gemeinde stelle sich die Frage: Wie wird sich die angedachte Nutzung infrastrukturell auswirken? Schlecht nannte hier die Themen Kita, Schule, Verkehr, Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung und Energieversorgung. Es könne nicht sein, dass „alle Folgelasten bei der Gemeinde bleiben“, sagte er und füge hinzu: „Wir werden uns genau anschauen, wie die Lastenverteilung funktioniert“. So müsse man auch in Richtung städtebaulicher Vertrag zwischen der DLE und der Gemeinde denken.
Trotzdem habe die Gemeinde freilich Interesse an einer Entwicklung auf der Fläche. „Bei allem kritischen Draufschauen freuen wir uns, dass etwas passiert“, betonte Schlecht. Der Rathauschef zeigte sich auch froh darüber, dass man mit dem Masterplan nun an die Öffentlichkeit gehen konnte.
Kasten: So reagierten Gemeinderäte auf die Planungen
„Mir gefällt der Plan und, dass sich auf dem Scheufelen-Areal etwas bewegt“, betonte Kurt Hiller. Karl Boßler sagte hingegen über die Konzeption: „Ich kann mir viel vorstellen oder auch nichts“. Die mehr als 1300 zusätzlichen Einwohnerinnen und Einwohner erforderten mehr Kapazität an Infrastruktur. „Das muss von der Gemeinde geschultert werden.“ Hinzu komme: „Der Autoverkehr wird da sein. Es werden nicht alle mit Fahrrädern fahren“. Insgesamt sagte er zum Vortrag von Michael Schröder: „Sie haben es autark ohne Verknüpfungen zur Kommune vorgestellt. Mir fehlt die Win-Win-Situation für die Gemeinde“.
Letztlich votierten die Räte aber einstimmig für die von der DLE Land Development GmbH vorgelegte Grundkonzeption. Die Verwaltung wurde beauftragt, auf der Grundlage der Planungen die Änderung des Flächennutzungsplans vorzubereiten. hei