Das Bürgergeld – bekannt, doch oft verkannt? Die Umstellung von Hartz IV auf das neue System durch die Ampelregierung in Berlin vor gut eineinhalb Jahren und die jüngste Erhöhung der Leistungen haben für heftige Diskussionen gesorgt. In einer Gesprächsrunde hatte sich etwa der Esslinger Bundestagsabgeordnete Markus Grübel (CDU) Ende April kritisch zu den Regularien geäußert.
Es gehe in Richtung bedingungsloses Grundeinkommen: „Unser Plan ist nicht eine Armee von armen Menschen, sondern viele in Arbeit und möglichst in gute Arbeit zu bringen“, hatte Grübel gesagt.
Die Unabhängige Bürgergeld-Beratung der Liga der Freien Wohlfahrtspflege im Kreis hat andere Erfahrungen gemacht. Sprecherin Lisa Pranter berichtet von unverschuldet in Not geratenen Menschen wie jener Frau, die lange berufstätig gewesen sei. Dann habe ihr Ehemann einen Schlaganfall erlitten, sie habe ihn gepflegt und dafür ihr Stundenkontingent im Job reduziert. Die finanziellen Einbußen hätten Mietrückstände, unbezahlte Rechnungen und Schulden nach sich gezogen und sie sei deswegen in die Beratungsstelle gekommen.
Markus Grübel hatte in dem Gespräch im April auch die hohen Ausgaben kritisiert: „Vom ganzen Bundeshaushalt mit seinen 476 Milliarden Euro hat der Sozialetat 175 Milliarden, das ist der größte Block. Mehr Geld für das Bürgergeld und weniger bei Investitionen in Verkehr, Digitales und so weiter führt nicht in eine gute Zukunft.“ Lisa Pranter verweist wiederum auf die Notlage vieler Menschen. Die Gründe für die Beantragung von Bürgergeld seien vielfältig – gesundheitliche Einschränkungen, Suchterkrankungen, psychische Probleme, Verpflichtungen durch Kindererziehung. Unter den 1836 Hilfesuchenden, die im vergangenen Jahr in die Beratungsstelle kamen, seien 366 Alleinerziehende gewesen – das entspreche einem Anteil von 20 Prozent.
536 Euro im Monat
Die viel debattierte Erhöhung der Bezüge von 502 auf nun 563 Euro habe zu keiner Stärkung der Kaufkraft geführt, so Pranter. Das Geld werde von der Inflation aufgefressen. Einzelpersonen hätten im Regelsatz einen Anspruch von 563 Euro im Monat plus einem Wohnzuschuss von 619 Euro. Für Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren seien 195,39 Euro, für Bekleidung und Schuhe 46,72 Euro vorgesehen.
Bürgergeld-Empfänger, so ergänzt Eberhard Haußmann, der Geschäftsführer des Kreisdiakonieverbands, würden sich in der überwiegenden Mehrheit in der so empfundenen Rolle als Bittsteller unwohl fühlen. Eine Teilnahme am kulturellen, gesellschaftlichen, geselligen Leben komme wegen finanzieller Engpässe oft zu kurz oder finde gar nicht statt. Kostenreduktionen für Personen mit einem schmalen Geldbeutel und Zuschüsse von Kommunen zu Vereinsmitgliedschaften oder Museumsbesuchen würden aber nur ungern in Anspruch genommen. Als ein weiteres Beispiel verweist er auf den Schulanfang: Für einen Schulranzen würden Bürgergeld-Empfänger größere Summen ausgeben, damit das Kind unter den anderen Erstklässlern nicht auffalle und stigmatisiert werde.