Boogie Woogie
Wie in den 50ern tanzen bei den Candy Sticks

Die Damen in Petticoats, die Herren mit Hosenträgern und Fliege – im Look und zu den Klängen der 1950er-Jahre gehen die Candy Sticks aufs Parkett in Deizisau.

Tanzen mit Stil: Bei den Candy Sticks stimmt das 1950er-Jahre-Gesamtbild. Fotos: pr

Diese Männer sind multitaskingfähig. Sie können viele Dinge gleichzeitig erledigen: die Musik erkennen, den Takt halten, in die Schrittfolge reinkommen, den Takt halten, die Dame führen, Figuren ausführen, immer noch den Takt halten. Das alles und noch viel mehr, sagen männliche Mitglieder der Boogie-Woogie Candy Sticks, müssen sie auf die Reihe bekommen. Mitleid mit den derart geforderten Allroundern ist aber unangebracht: Denn sie lieben es, zumindest beim Tanzen den Takt vorgeben zu dürfen. Der Boogie-Woogie ist ihre Lebensmelodie – und andere dürfen auch einmal reinhören. Am Samstag, 12. Oktober, veranstaltet der Tanzclub in der Gemeindehalle in Deizisau seine Oldie Night.

Sie mögen – zumindest nach eigenem Empfinden – zwar stark beansprucht sein, doch die männlichen brauchen die weiblichen Candy Sticks. Ohne sie wären sie nur die Hälfte wert. Erst als Paar können sie so kunterbunt, farben- und lebensfroh, wie es ihr Name vorgibt, über die Bühne wirbeln. Den Mief, den Staub und die Behäbigkeit, die den 1950er Jahren oft nachgesagt werden, haben die Boogie-Woogie-Freunde hinter sich gelassen. Mitgenommen ins Jahr 2024 haben die etwa 40 Mitglieder den Schwung, das Lebensgefühl, das Mitreißende der Musik und des Tanzstils dieser Zeit. Das Schmissige der 1950er wollen sie bewahren.

Denn der Rock ’n’ Roll von gestern ist der Boogie-Woogie von heute, erklärt Tänzer Stefan Bäumen. In den Anfangsjahren sei zur Musik von Elvis Presley und Bill Haley noch „sehr bodenständig“ getanzt worden. Der Rock ’n’ Roll habe sich erst später mit den Hebefiguren, der Akrobatik und der atemberaubenden Artistik selbst neu erfunden. Doch hier sind die Candy Sticks konservativ: Sie pflegen den Tanzstil aus der Gründerzeit. Sie bleiben am Boden.

Acht Auftritte pro Jahr

Aber auch ohne Hebefiguren bringen sie ihre Zuschauer zum Abheben. Bei bis zu acht Auftritten im Jahr überzeugt das Gesamtbild – bis hin zum Outfit. Die Damen in Petticoats, die Herren mit Hosenträgern und Fliege – ganz im Look der 1950er Jahre. Choreografiebedingte Abweichungen vom Dresscode sind erlaubt. Bei „Jailhouse Rock“ von Elvis Presley tragen die Herren etwa Sträflingskleidung. Humor tanzt immer mit. Showeinlagen und Choreografie sind einfallsreich. Ein langweiliger Allerweltsname würde daher nicht zu ihnen passen. „Lollipops“ hätte ihnen gefallen, erinnert sich Stefan Bäumen an die Anfangszeiten im Jahr 2016. Die gab es allerdings schon. Doch damit war der Drops noch nicht gelutscht. Süß sollte der Name schon sein. Darum gaben die Gründungsmitglieder verschiedene Variationen von Leckereien in den Computer ein. Bei „Brausestäbchen“ spuckte der PC den Begriff „Candy Sticks“ aus. Der ist geblieben und Programm geworden.

Doch so süß der Name klingt, beim Tanzen können Paare durchaus sauer werden. Das Konfliktpotenzial ist hoch. Denn: „Wenn etwas nicht klappt, ist grundsätzlich immer der andere schuld“, wissen tanzende Paare aus Erfahrung. Aber als friedensstiftendes Element bei Trouble haben die Candy Sticks ihre Trainer Elke und Ingo Linge. Das Ehepaar hat extra den C-Schein gemacht, damit die Candy Sticks eine noch kessere Sohle auf das Parkett legen können. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Tanzpaaren sind sie die beruhigende Stimme. Aber was, wenn sie selbst einmal unterschiedlicher Meinung sind? Sie würden ja auch Fortbildungsseminare besuchen, sagen Elke und Ingo Linge fast einstimmig. Bei diesen Seminaren gebe es auch Trainer, und die wiederum würden ihnen bei der Klärung von Sachverhalten helfen.

Harmonische Truppe

Doch Misstöne gibt es bei den Candy Sticks laut eigenen Angaben kaum. Sie bezeichnen sich als eine harmonische Truppe, die trotz lokaler Unterschiede funktioniert. Tänzer kommen sogar aus Pforzheim, Merklingen oder dem Schwarzwald zu den Trainingsabenden in der Gemeindehalle nach Deizisau angereist. Es gibt aber auch Mitglieder aus der näheren Umgebung im Landkreis Esslingen. Zum Boogie-Woogie kamen sie alle aus Freude an der Musik, am Rhythmus, an der Bewegung, an der Gemeinschaft, der Geselligkeit. Reine Boogie-Woogie-Puristen sind sie aber nicht. Bei „Buona Sera“ von Louis Prima etwa nehmen sie sogar 20 Sekunden Tango-Klänge am Anfang mit in Kauf, sagt Stefan Bäumen.

Ihre Liebe zur Musik der 1950er Jahre schließt Peter Kraus mit ein. Der schauspielernde, singende Sonnyboy hat sich sein jungenhaftes Grinsen bis ins reifere Alter von 85 Jahren bewahrt. Und das gefällt den Candy Sticks: Peter Kraus verkörpere den zeitlosen Schwung der Entstehungsepoche. Dieser Schwung reißt jeden mit. Zwei Mitglieder der Candy Sticks sind über 80 Jahre alt. Nachwuchs ist dennoch willkommen. Nicht nur Paare können dabei sein. Für Einzelpersonen würden sich schon Tanzpartner oder -partnerinnen finden, sagen die Boogie-Woogie Candy Sticks. Ihre Damen sind flexibel. Und die extrem multitaskingfähigen Männer können sich dank dieser Eigenschaft beim Tanzen auch auf andere Partnerinnen einstellen.

Mehr zu den Boogie-Woogie Candy Sticks gibt es im Internet unter
https://candysticks.de/.