Bildung
Wie Michael Blume gegen die Trolle kämpft

Michael Blume spricht als Antisemitismusbeauftragter der Landesregierung an der Weilheimer Realschule darüber, wie er mit Hass umgeht, über Künstliche Intelligenz und seine Ehe mit einer Muslimin. 

Ein gut gelaunter Michael Blume diskutiert in der Weilheimer Realschule mit bestens vorbereiteten Schülerinnen und Schülern. Foto: Carsten Riedl

Selbstverständlich ist das nicht. Da steht dieser Mann in der Mensa der Weilheimer Realschule, vor lauter Neunt- und Zehntklässlern, die in diesem Moment vermutlich ganz andere Dinge im Kopf haben. Und innerhalb von fünf Minuten hat er sie, obwohl er nicht mehr jung ist, kein Influencer, niemand, den diese Jugendlichen aus den Sozialen Medien kennen. 

Michael Blume ist Religionswissenschaftler und Antisemitismusbeauftragter der Landesregierung. Ein wichtiges Amt, gerade in diesen Zeiten, aber sexy klingt das ja eigentlich erst mal nicht. Dennoch schafft er es, die Jugendlichen zu packen und eine Dreiviertelstunde bei der Stange zu halten, bevor sie ihre Fragen stellen dürfen.

 

Unterschiede gibt’s in jeder guten Ehe, aber die Liebe kann stärker sein.

Michael Blume, Antisemitismusbeauftragter der Landesregierung, über seine Ehe mit einer Muslimin.

 

Hass und Bedrohung: Das sind zwei ständige Begleiter, seit Blume sein Amt als Antisemitismusbeauftragter angetreten hat. Mal wird er persönlich angefeindet, meistens erreicht ihn der Hass über die sozialen Medien. Man ginge zu weit, wenn man behauptete, dass das alles an ihm abprallt. Doch Blume wirkt offen und fröhlich, nicht ängstlich und verzagt, obwohl seine Freiheit deutlich gelitten hat und er vorsichtig sein muss. Der Dienstwagen, der ihn zu Terminen kutschiert, ist Pflicht. An den Orten, an denen er Vorträge hält, sind Sicherheitschecks obligatorisch. Auch an der Weilheimer Realschule hat die Polizei vorhin vorbeigeschaut. „Wenn ich mit meiner Familie im Urlaub bin, dürfen wir nichts posten, damit keiner weiß, wo wir sind“, sagt er.

Blume wehrt sich juristisch gegen seine Angreifer und auch gegen die Social Media Plattform X, auf der falsche Behauptungen verbreitet wurden, und er hat einen wichtigen Rat für die Jugendlichen. „Trolle und Angreifer versuchen, einen zu isolieren. Deshalb empfehle ich, darüber zu sprechen. Man schafft das nicht alleine.“ Er bittet die Schülerinnen und Schüler, aufmerksam zu sein. „Wenn jemand gemobbt wird, aufgrund der Hautfarbe oder des Geschlechts oder der Religion: Lassen sie den Freund nicht alleine.“

Warum er sein Amt angesichts des ständigen Hasses nicht niederlegt, möchte jemand aus dem Publikum wissen. „Wenn ich aufgeben würde, dann würden diese Leute nicht aufhören, sondern erst recht weitermachen“, sagt Blume. 

Der Religionswissenschaftler punktet bei den Schülerinnen und Schülern damit, dass er nicht nur theoretisch über Vielfalt, Toleranz und Verständigung spricht. Anders, als das Amt es vielleicht vermuten lässt, ist Michael Blume nicht Jude, sondern Christ. Er hat vor 27 Jahren seine Jugendliebe, eine Frau mit türkischen Wurzeln geheiratet, die muslimischen Glaubens ist. Gemeinsam haben sie drei Kinder. Wie das funktionieren kann, möchte ein Schüler mit unüberhörbarer Skepsis in der Stimme wissen. „Über viele Dinge sind wir unterschiedlicher Meinung, aber wir diskutieren miteinander“, sagt Michael Blume. In vielen Dingen seien er und seine Frau sich einig. „Wir glauben beide daran, dass man liebevoll zueinander sein soll. Dass man die Wahrheit sagen soll. Dass man für Essen dankbar sein soll.“ Er faste im Ramadan mit, an den christlichen Feiertagen gehe man zusammen in die Kirche. „Unterschiede gibt’s in jeder guten Ehe, aber die Liebe kann stärker sein“, sagt Blume und erntet spontanen Applaus.

Auch sein beruflicher Werdegang dürfte vielen Schülerinnen und Schülern Mut machen, die noch nicht sicher sind, wohin die Reise geht. Blume, der aus einer Arbeiterfamilie stammt, hat zunächst eine Bank-Lehre gemacht, weil er sich „nicht traute, zu studieren“. Als er schon verheiratet war, entschied er sich dafür, ein Studium der Religionswissenschaften zu beginnen und promovierte am Ende sogar. „Ich kann Ihnen nur empfehlen, Schritt für Schritt zu gehen. Ich wäre nie so weit gekommen ohne meine Ausbildung“, sagt er im Rückblick. 

Blume betont, wie wichtig Medienkompetenz für die Heranwachsenden ist, die sich in der Regel nicht mehr über Tageszeitungen informieren, sondern in der digitalen Welt, wo Nachrichten und Bilder häufig nicht mehr so leicht überprüfbar sind. Zu KI, um die sich viele der vorbereiteten Fragen der Schülerinnen und Schüler drehten, hat er eine klare Meinung: „Verhindern können wir sie eh nicht“. Als Wissenschaftsblogger erlebt er, dass die KI-Antworten viel wissenschaftlicher seien als die von Google. Blume rät dringend dazu, sich mit künstlicher Intelligenz zu beschäftigen. Menschen müssten die „Gatekeeper“ bleiben. „Die Frage wird sein, ob wir die Kontrolle über die KI haben oder die KI die Kontrolle über uns.“

 

Antisemitismus: Wenn sich
der Angreifer als Opfer fühlt

Hass Antisemitismus sei die einzige Form des Hasses, bei dem der Mensch, von dem der Hass ausgeht, sich unterlegen und als Oper fühle, sagte der Antisemitismusbeauftragte der Landesregierung, Michael Blume, in der Weilheimer Realschule. Verschiedenste Verschwörungsmythen ranken sich um das Judentum, bis hin zu der abstrusen Behauptung, der Covid-19-Virus sei eine jüdische Biowaffe gewesen. Besonders spannend findet Blume, dass es Antisemitismus auch in Ländern wie Südkorea oder Japan gibt, in denen jüdische Gemeinden nie existiert haben. „Aber es ist immer praktisch, einen Sündenbock zu haben. Wenn man den braucht, landet man schnell beim Antisemitismus“, sagt Blume.

Israel Auf der anderen Seit sei man nicht gleich Antisemit, wenn man die Politik des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu oder den Krieg im Gaza-Streifen kritisiere. Ein Schüler stellt einige kritische Fragen zum Krieg, die Blume geduldig beantwortet, ohne in seiner Haltung einzuknicken. „Hamas und Hisbollah müssen aufhören zu schießen und die Geiseln freilassen. Dann muss Israel sich zurückziehen. Und Gaza muss wieder aufgebaut werden“, sagt er. adö