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Wie sich die Weltkonflikte auf Festo und Co auswirken

Unternehmerforum Internationale Konflikte wirken sich auf lokale Unternehmen aus. Welche Rolle spielen dabei Politik, Werte und Interessen? Das fragt Moderatorin Dunja Hayali in Esslingen den Diplomaten Wolfgang Ischinger und die Chefs von Festo und Mercedes-Benz Mobility. Von Greta Gramberg

Handelsstreits, Corona-Pandemie, Ukrainekrieg und zahlreiche weitere Krisen und Konflikte beispielsweise in Israel, Armenien oder Jemen. Sie haben unzählig vielen Menschen Leid gebracht. Und Auswirkungen auf die Wirtschaft, in der Welt und in der Region Stuttgart. „Wann kommt mal ein normales Jahr?“ Diese Frage wirft Oliver Jung in sein Publikum. Und der Festo-Chef beantwortet sie gleich selbst: „Das kommt nicht mehr, darauf muss man sich einstellen.“ Wie die geopolitischen Herausforderungen auf die Unternehmen wirken, darum ging es am Dienstagabend in den Räumen der Kreissparkasse in Esslingen, die zu ihrem 13. Unternehmerforum Geistesblitze eingeladen hatte. Und um die Konflikte zwischen wertebasierter und interessengeleiteter Außenpolitik, zwischen wertebasiertem und interessengeleitetem unternehmerischen Handeln.

Im vergangenen Jahr war für viele Firmen das Russlandgeschäft plötzlich weggefallen, auch für den Esslinger Automatisierungsspezialisten Festo, ebenso wie für Mercedes-Benz Mobility, eine Daimlertochter für Dienstleistungen für Autos im Bereich Finanzierung, Leasing und Versicherung. Der Krieg und Sanktionen gegen Russland machten es unmöglich, das Geschäft aufrechtzuerhalten. Er hadere nicht mit den politischen Entscheidungen, die in dieser konkreten Situation richtig gewesen seien, sagt Jung in der Gesprächsrunde mit dem früheren Diplomaten und Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, dem Vorstandsvorsitzenden von Mercedes-Benz Mobility, Franz Reiner, sowie ZDF-Moderatorin Dunja Hayali. „Aber ich bin schon der Meinung, dass wir uns in einer schweren strukturellen Krise befinden“, so Jung. Und diese sei nicht erst vom Ukrainekrieg ausgelöst worden. Jung kritisiert in diesem Zusammenhang Entscheidungen der deutschen Politik wie beispielsweise die Energiewende, die er als „verstolperten Unsinn“ bezeichnet.

 

Ischinger fordert besseres Risikomanagment von der Politik

Den Festo-Konzern, der weltweit etwa 20 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, trifft nach Auskunft der Pressestelle der globale konjunkturelle Abschwung, wenn auch nicht in allen Märkten und Branchen gleichermaßen: „Festo ist in sehr vielen Branchen vertreten. Dadurch können wir Einbrüche in einzelnen Bereichen teilweise ausgleichen.“ Demnach rechnet Festo auch 2024 noch mit einem stark schwankenden Marktumfeld. Das Unternehmen blicke jedoch positiv in die Zukunft, da viele Branchen in einer massiven Transformationsphase stecken, beispielsweise mit Blick auf Elektromobilität, Energiewende und Nachhaltigkeit, wofür Festo Zukunftstechnologien biete. „Deshalb sehen wir sehr gute Chancen, dass Festo – sobald die Konjunktur wieder anzieht – unmittelbar vom Aufschwung in bestehenden und neuen Märkten profitiert.“ Noch ist es aber nicht so weit, und die Festo-Werke sind offenbar nicht mehr so stark ausgelastet, es gab einzelne Schließtage, und zwischen den Jahren ist eine Betriebspause geplant. „Durch den Abbau von Überstunden bereiten wir unsere Mitarbeitenden derzeit auf eine mögliche Kurzarbeitsphase vor“, teilt die Pressestelle mit. In den deutschen Werken werde dies frühestens im ersten Quartal 2024 eintreten.

Mit Blick auf die Folgen, die die Abhängigkeit vom russischen Gas insbesondere für Deutschland nach Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine hatte, aber auch die Abhängigkeit von chinesischen Pharmazeutika, mahnt der frühere deutsche Botschafter in den USA und England, Ischinger, die deutsche Politik, ein besseres Risikomanagement zu installieren, in Form eines nationalen Sicherheitsrates. Hier sieht er Deutschland im Vergleich zu seinen europäischen Nachbarn und westlichen Partnern schlecht aufgestellt, die längst solche Überwachungs-, Kontroll- und Führungsmechanismen hätten. Wirtschaftliche Abhängigkeiten seien in Ordnung, notwendige Bestandteile der weltweiten Wirtschaftsbeziehungen und des Wohlstandserhalts. „Man muss Abhängigkeiten aber dort reduzieren, wo sie strategische Verwundbarkeiten zur Folge haben.“

 

Festo-Chef sieht Verlust von Wettbewerbsfähigkeit

Ganz unversöhnlich bleibt es aber nicht: Er sei kein großer Pessimist, der über die Politik heule, vielmehr ein ausgesprochener Optimist, sagt Festo-Chef Jung. „Wir werden Lösungen finden. Aber die politischen Rahmenbedingungen müssen sich auch ändern.“ „Ist denn wirklich alles so schlimm?“, fragt Dunja Hayali. Schließlich sei Deutschland wieder drauf und dran, drittstärkste Volkswirtschaft zu werden. Natürlich sei der Standort Deutschland gut, räumt Jung ein. Beispielsweise sei Festo als Ingenieurunternehmen angewiesen auf gut ausgebildete Ingenieure, und da habe Deutschland eine Topinfrastruktur, die man anderswo lange suchen müsse. Dennoch ballten sich mehrere ungünstige Umstände. „Wir verlieren gerade an Wettbewerbsfähigkeit, da darf man sich nichts vormachen.“

 

Was sonst noch Thema war – Interessen und Werte

Politik Von Moderatorin Dunja Hayali auf den Konflikt zwischen werte- und interessengeleitetem Handeln angesprochen, bestreitet der frühere Diplomat Ischinger, der aus Beuren stammt, dass sich zwangsläufig ein Gegensatz ergebe. In der Praxis seien Abwägungen aber schwer. Man müsse etwa überlegen, ob man wegen Menschenrechtsverletzungen in China bestimmte Formen der Zusammenarbeit ablehne. Zugleich müsse man die weltpolitischen Rahmenbedingungen anerkennen und die wachsende Bedeutung Chinas, beispielsweise für friedenspolitische Verhandlungen in der Ukraine. Er plädiert für mehr stille Diplomatie und kritisiert, ohne sie zu nennen, die feministische Außenpolitik von Annalena Baerbock (Grüne).

Wirtschaft In dieses Horn bläst auch Franz Reiner (Mercedes-Benz Mobility), von Hayali auf die Problematik uigurischer Zwangsarbeit angesprochen. Man könne das Menschenrechtsproblem in China ansprechen, die Frage sei nur wie. „Wir haben als Unternehmen einen Wertekanon“, beteuert er, ohne konkret auf die Kritik am Mercedeskonzern einzugehen. Im Sommer hat eine Menschenrechtsorganisation Beschwerde gegen Mercedes und weitere Autobauer eingereicht, weil diese dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz unzureichend nachgekommen sein sollen. gg