Wenn plötzlich ein Tier auf die Fahrbahn huscht, geht es um Sekunden. Schon ein kleiner Moment der Unachtsamkeit kann fatale Folgen haben.
Wie der Deutsche Jagdverband berichtet, hat sich die Zahl der Wildunfälle in den letzten vier Jahrzehnten verfünffacht, was unter anderem auf das erhöhte Verkehrsaufkommen zurückzuführen ist. Auch rund um Kirchheim endet der Versuch, die Straße zu überqueren, für viele heimische Vierbeiner tödlich.
Besonders zwischen sechs und neun Uhr steigt das Risiko für einen Zusammenstoß.
Katharina Daiss, Sprecherin des Landesjagdverbands
German Kälberer von der Jägervereinigung Kirchheim kennt die Wildunfallschwerpunkte der Region aus dem Stehgreif: Die Kreisstraße 1250 zwischen Bissingen und Weilheim, die Bissinger Steige und die Landstraße 1212 beim Naturschutzzentrum Schopfloch. Dass sich die Vorfälle hier häufen, hängt laut dem Kreisjägermeister mit den örtlichen Gegebenheiten zusammen: beidseitiger Wald, eine unübersichtliche Straßenführung und Strecken, die zum Schnellfahren verleiten.
In den meisten Fällen ist es Kleinwild – dazu zählen unter anderem Waschbären, Dachse und Rehe –, das dem Straßenverkehr dort zum Opfer fällt. Zu Unfällen mit Wildschweinen komme es eher seltener. In diesem Falle sei der Schaden meist deutlich größer.
Wildunfälle vermeiden
Wildunfälle können immer passieren. Besondere Vorsicht ist laut Katharina Daiss vom Landesjagdverband jedoch während der Dämmerung geboten. Denn: Viele Wildtiere sind zu dieser Zeit aktiv. „Besonders zwischen sechs und neun Uhr steigt das Risiko für einen Zusammenstoß“, berichtet die Expertin.
Doch auch abends ist Achtsamkeit angesagt – vor allem während der kalten Monate. Durch die Umstellung auf die Winterzeit rutscht der Feierabendverkehr ab diesem Monat wieder in die Dämmerungszeit, was die Straßen für umherstreifende Tiere noch gefährlicher macht.

Wie Katharina Daiss weiter erklärt, kann es im Straßenverkehr gerade im Herbst häufiger zu Begegnungen mit den sonst sehr scheuen Wald- und Wiesenbewohnern kommen: „Viele Wildtiere sind verstärkt auf Nahrungssuche, um sich auf die karge Winterzeit vorzubereiten.“ Dabei sei das Überqueren von Straßen oft unvermeidbar. Und nicht nur das: Manche Tiere, wie das Wildschwein, würden die Herbstmonate nicht ausschließlich zur Futtersuche nutzen, sondern auch, um die Gegend nach potenziellen Partnern zu durchforsten, weshalb sie zu dieser Zeit ganz besonders aktiv seien.
Um das Risiko eines Wildunfalls zu senken, empfiehlt Katharina Daiss, bei der Fahrt nach Gefahrenzonen Ausschau zu halten und die Geschwindigkeit entsprechend anzupassen. Es helfe schon, das Tempo von 100 auf 80 zu drosseln und seinen Bremsweg so um rund 24 Meter zu verkürzen.
Ein weiterer Hinweis der Verbandssprecherin: „Ein Tier kommt selten allein.“ Wenn sich ein Vierbeiner auf der Straße oder am Straßenrand herumtreibt, sei es deshalb ratsam, nach Nachzüglern Ausschau zu halten. Das gelte aktuell besonders für Rehe und Wildschweine.
Was tun, wenn es knallt?
Taucht vor der Motorhaube tatsächlich einmal ein Wildtier auf, sollte Katharina Daiss zufolge lieber davon abgesehen werden, panisch das Lenkrad herumzureißen. „Ein kontrollierter Zusammenstoß ist besser als unkontrollierte Ausweichmanöver“, stellt sie klar. Ihre Empfehlung: „Bremspedal durchdrücken und geradeaus steuern!“
Falls das Fahrzeug nicht schnell genug stoppt und es schlussendlich kracht, sollte die Unfallstelle umgehend gesichert werden. Das umfasst das übliche Prozedere: Warnblinker anschalten, Warnweste anziehen, Warndreieck aufstellen und schnellstmöglich die Polizei verständigen. Ist das verletzte Tier im Adrenalinrausch von der Fahrbahn geflüchtet, sollte man diesem nicht folgen, den Vorfall aber unbedingt melden. Wie Katharina Daiss erklärt, lasse sich das verletzte Tier mithilfe von speziell ausgebildeten Hunden ausfindig machen. So könne unnötiges Tierleid vermieden werden.
Ein kontrollierter Zusammenstoß ist besser als unkontrollierte Ausweichmanöver.
Katharina Daiss
Ist das Tier noch lebendig und liegt auf der Straße, ist ein Sicherheitsabstand empfehlenswert. „Schwer verletzte Tiere erleiden Todesangst. Das bedeutet auch Verletzungsgefahr für Menschen“, erläutert Katharina Daiss. Sei das Tier bei dem Zusammenstoß ums Leben gekommen, dürfe es unter keinen Umständen ins Fahrzeug geladen und vom Unfallort entfernt werden. „Das wäre strafbare Wilderei.“
Zuletzt bittet die Sprecherin des Landesjagdverbands darum, den Unfall ins Tierfund-Kataster des Deutschen Jagdverbunds einzutragen. Dabei handelt es sich um eine Datenbank, die Wildtierunfälle erfasst. Sie betont: „Je mehr Daten gesammelt werden, umso deutlicher zeigen sich Wildunfallschwerpunkte und es können gezielt Maßnahmen ergriffen werden.“
Das Tierfund-Kataster ist online zu finden unter www.tierfund-kataster.de.
Zahlen zu Wildunfällen
Circa alle zweieinhalb Minuten passiert laut dem Deutschen Jagdverband auf deutschen Straßen ein Wildunfall mit großen Säugetieren. Das sind jährlich rund 250.000 Unfälle mit Rehen, Hirschen und Wildschweinen. Die Dunkelziffer ist schätzungsweise fünfmal so hoch.
Bundesweit führt das Reh mit 53 Prozent die Liste der häufigsten tierischen Verkehrsopfer an. Auf Platz zwei folgen Hase und Kaninchen mit jeweils elf Prozent. Dahinter liegen Fuchs, Waschbär und Marderhund (jeweils neun Prozent).
Im Zeitraum vom 1. Oktober 2023 bis zum 30. September 2024 meldeten Teilnehmer im Tierfund-Kataster für Baden-Württemberg 1469 Totfunde in Folge von Verkehrsunfällen.
Neben Tieren kommen immer wieder auch Menschen zu Schaden. Jährlich werden etwa 3000 Verkehrsteilnehmer durch Wildunfälle verletzt. Hinzu kommt ein Sachschaden in Höhe von rund 750 Millionen Euro.

