Weilheim · Lenningen · Umland
„Wir alle sind Weilheim“

Ausstellung 20 Menschen, die sich bildlich mit ihren persönlichen Geschichten öffnen: Die Ausstellung ist jetzt im Rathausfoyer zu sehen. Von Sabine Ackermann

Wer sind die Menschen, denen wir täglich auf der Straße begegnen und mit denen wir Tür an Tür zusammenleben? Welche Geschichten haben sie hierhergeführt? Haben wir – trotz äußerer Unterschiede – vielleicht Gemeinsamkeiten? Warum ist Weilheim Heimat für sie?“ Fragen, die sich nicht nur Bürgermeis­ter Johannes Züfle stellt und die Pierre Jarawan, Autor und Fotograf, mit der Ausstellung „Wir alle sind Weilheim“ zu beantworten versucht.

In einer „berührenden Sammlung von 19 Bildern und individuellen Geschichten“ zeigt die Fotoausstellung, dass es vielfältige Antworten auf diese Fragen gibt. „Sie bringt uns Menschen aus aller Welt nahe, deren Lebenswege unterschiedlicher kaum sein könnten. Und sie zeigt, alle Weilheimer sind gleichwertig berufen, unabhängig von Herkunft, Alter, Geschlecht oder Nationalität“, sagt das Stadtoberhaupt und nennt den Grundgedanken dieser Ausstellung: „In Weilheim sollen sich möglichst alle gut angekommen fühlen. Alteingesessene und Neuankömmlinge aus Deutschland, aus Europa und der Welt.“

Johannes Züfle bedankt sich bei den vielen Menschen, die sich dafür seit vielen Jahren in Weilheim engagieren, nennt Kirchengemeinden, Vereine und den Arbeitskreis Asyl.

 

In Weilheim sollen sich alle möglichst gut angekommen fühlen.
Johannes Züfle
Weilheims Bürgermeister zum Grundgedanken der Ausstellung

 

Entstanden war die Idee der Fotoausstellung im Rahmen des Projekts „Integration durch bürgerschaftliches Engagement und Zivilgesellschaft“, das aus Mitteln des Ministeriums für Soziales und Integration gefördert und von städtischen Beschäftigten, ehrenamtlich Engagierten sowie Akteuren aus verschiedenen Einrichtungen begleitet wurde. „Mit dem Fotoprojekt werden die Themen Integration, Zuwanderung und gutes Zusammenleben in die Öffentlichkeit getragen. So soll das Wir-Gefühl gestärkt und das Interesse der Menschen geweckt werden“, nennt Thomas Güthle die Intention dahinter. „Ohne die Bereitschaft der Teilnehmenden, sich in den Gesprächen zu öffnen, hätte das Projekt nicht umgesetzt werden können“, bedanken sich der Integrationsbeauftragte der Stadt Weilheim und auch Pierre Jarawan bei allen Beteiligten.

„Es geht heute nicht um mich, sondern um eure Fotos und eure persönlichen Geschichten, die so manchem nicht leichtgefallen sind“, verrät der Künstler. „Eine offene Nahbarkeit zu schaffen, war die Grundvoraussetzung. Es ist ja mein Hauptjob, am Schreibtisch zu sitzen und mir Geschichten auszudenken, da vergisst man manchmal, dass die eigentlich spannenden Geschichten in den Menschen selbst stecken“, macht Pierre Jarawan deutlich.

So erzählt beispielsweise Anabella Pinto Abrantes von Portugal und gerät dabei ins Schwärmen. „Man kann dort viel erleben, es gibt wunderschöne Zoos, in denen die Tiere frei herumlaufen, es gibt Erdmännchen, Schlangen, Chamäleons …“ Es ist ein Schwärmen, aber kein Verklären: „Leider gibt es auch viele Waldbrände dort“, berichtet das Mädchen, dass 2011 in Nürtingen geboren wurde. Direkt neben ihr stellt sich Said Amiri, Jahrgang 1937, vor. „1963 bin ich nach Deutschland gereist. Nicht als Flüchtling, sondern ganz offiziell“, erinnert er sich. Der Grund? „Ich hatte keine Lust rumzusitzen und auf irgendwelche Angebote zu warten. Said Amiri reiste von Kabul über Moskau und Berlin nach Köln, um an der Tür der Personalabteilung der Firma Hochtief zu klopfen. „Ich bin Afghane. Ich bin Deutscher. Ich bin Schwabghane“, sagt der Mann, der für sein Engagement als ehrenamtlicher Dolmetscher 2015 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde. Nur zwei kleine exemplarische Auszüge aus den DIN-A4-Seiten großen Geschichten, die jeweils unter dem Porträt zum Lesen einladen.

Die Ausstellung ist noch bis zum 4. November im Rathausfoyer innerhalb der Öffnungszeiten zu besichtigen. Die Porträts und ihre Geschichten werden zudem in einer kleinen Serie im Mitteilungsblatt veröffentlicht.

 

Der Künstler

Vita Pierre Jarawan ist Autor, Bühnenliterat, Moderator und freier Fotograf. Er wurde 1985 in Amman, Jordanien, als Sohn eines libanesischen Vaters und einer deutschen Mutter geboren, nachdem seine Eltern den Libanon wegen des Bürgerkriegs verlassen hatten. Mit drei Jahren kam er nach Deutschland und wuchs in Kirchheim auf, heute lebt er in München.

Stationen 2012 wurde er internationaler deutschsprachiger Meister im Poetry Slam, 2015 erregte sein Fotoprojekt „Paradise Lost“ große Aufmerksamkeit. Sein erster Roman „Am Ende bleiben die Zedern“ erschien 2016 und wurde mehrfach ausgezeichnet sowie als internationaler Bestseller in viele Sprachen übersetzt. 2020 erschien sein zweiter Roman „Ein Lied für die Vermissten“. ack