NAV oder in der Langversion: Niederspannungsanschlussverordnung: Dieses Wortungeheuer ist für zahlreiche Holzmadener zu einem Ärgernis geworden. Denn die haben eine Menge kaputter Elektrogeräte in ihren Häusern stehen, nachdem es in einer Strom-Umspannstation am Holzmadener Rathaus in den Mittagsstunden des 10. Februar gebrannt hatte. Im Bericht der Feuerwehr liest sich das so: „Im Inneren brannte ein Niederspannungshauptverteiler.
Die verbauten Anlagen standen noch unter Strom. Um die Anlage stromlos zu schalten und somit eine Brandbekämpfung beginnen zu können, wurde der Notdienst des Anlagenbetreibers zur Einsatzstelle angefordert.“ Dadurch entstand eine kurzfristige Überspannung im Netz, was wiederum schlagartig für einen Defekt vieler Geräte in den angrenzenden Häusern sorgte.
Nun kommt die NAV ins Spiel. Die sorgt dafür, dass Betreiber von Stromnetzen keine Haftung für Sachschäden übernehmen müssen. „Wenn sie nicht fahrlässig oder mit Vorsatz gehandelt haben“, sagt Jörg Busse, Pressesprecher der Netze BW, dem Betreiber des Netzes in Holzmaden. „Bei uns sind das Telefon, die Waschmaschine, das Netzteil eines Laptops und ein Drucker kaputtgegangen“, sagt Anwohner Jochen Giesche. „Die Schadenssumme beläuft sich auf rund 700 Euro“, sagt er. Doch die Neuanschaffung wird mehr als 1000 Euro kosten.
Doch um den Betrag gehe es ihm gar nicht, eher um die Reaktion des Betreibers Netze BW. „Wenn ein Fahrer für Amazon ein Paket ausliefert und das kaputt ankommt, haftet doch der Paketdienst und nicht Amazon oder der Empfänger“, sagt der Holzmadener. „Mir geht es gegen den Strich, wenn sich die Großen alles leisten können, die nutzen ihre Machtposition aus.“
Rund 50 Haushalte betroffen
Seiner Whatsapp-Gruppe haben sich rund 20 Anwohner aus umliegenden Straßen angeschlossen. Er schätzt, dass insgesamt rund 40 Haushalte betroffen sind. Die Schäden sind vielfältig: Von der Waschmaschine bis zur elektronischen Heizungssteuerung. Da gehen die Schäden leicht in die Tausende und sorgten im Falle der Heizung auch für eine kalte Winternacht. „Einige haben sich bei uns am Rathaus gemeldet“, sagt Hauptamtsleiterin Roswitha Haselbeck. Auch bei ihr im Rathaus war das gesamte Computersystem ausgefallen. Dort gibt es zwar eine Elektronikversicherung für Server und Geräte, die übernimmt aber nur den aktuellen Wert des Servers. Auf der jüngsten Gemeinderatssitzung kündigte die Verwaltung daher an, vorsorglich 10 000 Euro für ein neues Computer-System in den Haushaltsplan für 2021 einzustellen. Der war ohnehin altersschwach, momentan arbeitet man mit der notdürftig reparierten Version.
Auch die Feuerwehr in der Kirchheimer Straße ist betroffen. „Um die Einsatzzentrale weiterhin betreiben zu können, wurde das mobile Notstromaggregat der Feuerwehr in Betrieb genommen. Damit ist eine unabhängige Versorgung des Feuerwehrhauses mit Notstrom möglich“, heißt es im Bericht der Freiwilligen Feuerwehr. Im Kindergarten an der Seestraße musste ebenfalls die Heizung repariert werden.
Die Reaktion des Netz-Betreibers sorgte auch in der jüngsten Gemeinderatssitzung für Ärger. „So geht man mit Kunden nicht um“, sagte Rainer Stephan von der Holzmadener Bürgerliste. Denn wie es aussieht, bleiben die Kunden der Netze BW auf den Kosten für die Geräteschäden sitzen. Denn die Hausratsversicherung zahlt in der Regel bei Blitzeinschlag, nicht aber bei einer Überspannung. Das hängt aber auch vom individuellen Vertrag ab. „Wir stellen Bescheinigungen für die Versicherungen aus, man kann sich bei der Stromstörungsnummer melden und bekommt es dann zugeschickt“, sagt Netze-BW-Sprecher Jörg Busse. Er verweist auch darauf, dass das Unternehmen für diese Art von Schäden nicht haftbar gemacht werden könnte. „Einen technischen Defekt kann man überall haben“, sagt er. Würde man für alle Folgeschäden haftbar gemacht, könnte das ein Unternehmen nicht stemmen.
Damit wollen sich die Betroffenen noch nicht abfinden. „Wir kennen eine Rechtsanwältin, die prüft derzeit alles“, sagt Jochen Giesche. Das Problem ist aber, dass allein seine Eigenbeteiligung an der Rechtsschutzversicherung den Streitwert „auffressen“ würde. Giesches einziger Trost: Den Netzbetreiber kann er nicht wechseln, den Stromversorger aber schon: Denn zu dem gehört die Netze BW.
Die Service-Nummer für Stromstörungen der Netze BW lautet: 08 00/3 62 94 77