Was bedeutet mehr für dich?“, lautet der Titel der aktuellen Kampagne des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) Region Stuttgart und seiner acht Mitgliedsgewerkschaften. Die Frage haben sie ihren Mitgliedern gestellt. Die Antworten sind deutlich, erklärt Peter Schadt, Gewerkschaftssekretär des DGB Region Stuttgart und zuständig für die Kreisverbände Esslingen-Göppingen und Ludwigsburg: „Mehr Freizeit steht weit oben. Im aktuellen ÖPNV-Tarifabschluss konnte Ver.di eine schrittweise Verringerung der Arbeitszeit von 39 auf 37,5 Wochenstunden bei vollem Lohnausgleich durchsetzen“, nennt Schadt ein Beispiel der Umsetzung dieser Kernforderung.
Personalmangel teils drastisch
„Für viele Beschäftigte, die etwa auf eine Kinderbetreuung angewiesen sind, sind diese 37,5 Stunden im Gegensatz zu den 39 Stunden organisierbar.“ Gelten die 37,5 Wochenstunden als Vollzeit, so könnten im Umkehrschluss mehr Beschäftigte in Vollzeit statt wie bisher in Teilzeit arbeiten, ergänzt Schadt.
„Die Leute sind gehetzt und gestresst und wünschen sich im Job mehr Entlastung, um überhaupt das Normal-Soll richtig erfüllen zu können“, so Benjamin Stein, Geschäftsführer von Ver.di Bezirk Fils-Neckar-Alb. Das sei häufig nicht mehr möglich, etwa vor dem Hintergrund der Personalausfälle, die es zusätzlich zu kompensieren gilt. „Das sieht man beispielsweise bei den Erzieherinnen oder auch bei den Pflegekräften. Der Druck ist hoch und genauso das schlechte Gewissen, wenn man seine eigentliche Arbeit nicht in dem Umfang leisten kann, wie man es eigentlich möchte“, weiß Stein. Der Personalmangel sei ebenso drastisch in den Schulen, sagt Hans Dörr, lange Vorsitzender der GEW im Kreis Esslingen, nach wie vor Mitglied des Kreisvorstands sowie Vorsitzender des DGB-Ortsverbands Kirchheim. „Das ist für die Beschäftigten kaum mehr stemmbar.“ Ein weiterer Punkt sei die nötige Steigerung der Selbstbestimmung bei der Gestaltung des Arbeitsalltags, die angesichts einer globalisierten Arbeitswelt immer mehr verloren gehe, so Alessandro Lieb, Geschäftsführer der IG Metall Esslingen, „die Menschen sind getaktet.“
Ein Punkt, in dem sich die Vertreter der Gewerkschaften ebenso einig sind, ist die Notwendigkeit des vollumfänglichen Streikrechts. „Das trifft uns vehement, wenn auf Landes- und Bundesebene über Einschränkungen gesprochen wird“, betont Benjamin Stein.
Streikrecht als Grundrecht
Ja, Streiks im Dienstleistungssektor hätten immer Auswirkungen auf die Bürgerinnen und Bürger, „aber sie sind das einzige Mittel für die Arbeitnehmerschaft, um gute Arbeitsbedingungen durchzusetzen und es gehört zur Demokratie, dass Beschäftigte für ihre Rechte einstehen können.“ Wenn es auf keinem anderen Weg zu einer Einigung kommen könne, müsse man vom Streikrecht weiterhin vollumfänglich Gebrauch machen können. Mit der aktuellen Tarifeinigung im Nahverkehr im Kreis Esslingen gehe man nun in die zweite Urabstimmung: „Wir gehen davon aus, den Arbeitskampf bald beenden zu können“, so Stein. Im Herbst stehe eine Tarifrunde für die Metall- und Elektroindustrie an, ergänzte Alessandro Lieb. Derzeit laufe die Befragung der Betriebe, nach den für sie zentralen Punkten. „Das Streikrecht ist ein Grundrecht, das wir uns nicht nehmen lassen“, betont auch der Esslinger IG-Metall-Chef.
Martin Auerbach, Kreisvorsitzender des DGB Esslingen-Göppingen, fordert angesichts der sinkenden Tarifbindung und der anstehenden Herausforderungen bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten. „Immer mehr Arbeitgeber stehlen sich aus ihrer sozialen Verantwortung. Deshalb brauchen wir jetzt eine Tarifwende.“ Eine Tarifbindung bringe mehr Geld, bessere Arbeitsbedingungen, sichere Zukunftsaussichten und mehr Lebensqualität. Ganz im Sinne des diesjährigen Mottos des DGB: „Mehr Geld, Freizeit, Gerechtigkeit“. Eine zentrale Rolle nehme die Tarifbindung etwa bei der Vergabe öffentlicher Gelder ein, nennt Peter Schadt ein Beispiel: „Am besten sollten sie für Unternehmen eingesetzt werden, die tarifgebunden sind. Das sind deutschlandweit weniger als die Hälfte.“ Auch bei den Kommunen werde der DGB genau hinschauen, in welchem Umfang der TVÖD angewendet werde.
Kundgebungen des DGB Kreisverbands am 1. Mai
Vier Veranstaltungen in Esslingen, Kirchheim, Nürtingen und Göppingen organsiert der Kreisverband Esslingen-Göppingen des Deutschen Gewerkschaftsbunds am Mittwoch, 1. Mai.
In Kirchheim trifft man sich um 13.30 Uhr zur Kundgebung auf dem Rathausplatz. Hauptrednerin ist Maike Schollenberger, stellvertretende Landesvorsitzende Ver.di Baden-Württemberg. Musik gibt es von der Band „Die Zwei“. Die Demo startet um 15 Uhr am Rathausplatz und führt zum Maifest im Mehrgenerationenhaus Linde.
In Nürtingen beginnt der 1. Mai traditionell um 10.30 Uhr auf dem Schillerplatz mit einer Kundgebung. Rednerin ist hier die Bezirksjugendsekretärin des DGB Baden-Württemberg Leonie Knoll. Anstatt dann direkt nach Hause zu gehen, geht es ab 12 Uhr in der Kreuzkirche mit dem Konzert der beiden lokalen Bands Krankheim und Purple Nurple erst richtig los.
In Esslingen findet um 9.30 Uhr ein ökumenischer Gottesdienst im Münster St. Paul statt, gefolgt von der Mai-Kundgebung um 11 Uhr auf dem Esslinger Marktplatz. Hauptredner ist Alessandro Lieb, Geschäftsführer IG Metall Esslingen. Für den musikalischen Beitrag sorgen MoRe&Friends.
In Göppingen findet um 9.30 Uhr ein gemeinsames Frühstück auf dem Schillerplatz statt, ebenso wie die Kundgebung mit einer Hauptrede von Francesco Grioli, IGBCE Bundesvorstand. Musik gibt es von Fini and Friends. eis