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Wir die „Promillesteige“ bald Thema im Kreistag?

Verkehr Kleine Straße, großes Forum: Der Unterstützerkreis für die Steige zwischen Hülben und Dettingen/Erms hat online die 4200er-Marke geknackt. In der Politik gehen die Meinungen auseinander. Von Christina Hölz

Sie läuft und läuft und läuft. Die Rede ist von der Online-Petition, die der Grabenstetter Jan Bayer zugunsten der Ortsverbindungsstraße zwischen Dettingen und Hülben gestartet hat. Der momentan gesperrte Alb­aufstieg ist, wie berichtet, von der endgültigen Schließung bedroht. Jan Bayers Gesuch indessen, adressiert an den Reutlinger Landrat Dr. Ulrich Fiedler, will die „Promillesteige als Kreisstraße erhalten“. Mitte November hatte sich der junge Berufspendler im Netz in die Offensive gewagt – wenige Stunden später ging seine Bittschrift viral. Die ersten 2000 Befürworter unterzeichneten innerhalb weniger Stunden. Inzwischen nimmt die Eingabe Kurs in Richtung der 5000er-Marke.

Wer die Bürger-Meinungen liest, merkt schnell: Da findet sich manches Argument, das der Politik zu denken geben könnte – in Wahlkampf-Zeiten obendrein: „Ich bin im Notfall viel schneller bei Hausbesuchen in Hülben und Grabenstetten“, schreibt beispielsweise eine Hausärztin aus Dettingen. „Zu manchen Zeiten ist der Weg über Urach mehr als doppelt so lange.“

 

Nachteile im ländlichen Raum

Oder die Sicht eines Hülbeners: „Der Rückbau von vorhandener und benötigter Infrastruktur ist nicht akzeptabel“, urteilt er: „Der ländliche Raum wird weiter abgehängt.“ Kurz, die sanierungsbedürftige Promillesteige ist längst zum Politikum geworden. Einmal mehr. Bekanntlich scheiterte die Gemeinde Dettingen bereits im Jahr 2015 vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen mit ihrem Ansinnen, die Ortsverbindung zur Kreisstraße aufstufen zu lassen – und so die Last für den Unterhalt auf mehreren Schultern zu verteilen. Diese Forderung hatte zuvor die untere Verkehrsbehörde beim Landkreis Reutlingen abgelehnt: „Der angesprochene Straßenabschnitt reicht nicht an die geschlossene Ortslage von Hülben heran, sondern mündet auf freier Strecke in eine Landesstraße“, begründete die Behörde unter anderem. Auch das Regierungspräsidium Tübingen schloss sich an: „Die Straße dient nicht dem überörtlichen Verkehr, weil darunter nur der Durchgangsverkehr zu verstehen ist.“

Viele Autofahrer und die Kommunalpolitiker in Dettingen sehen das anders. Pendler aus Römerstein, Grabenstetten, Erkenbrechtsweiler, Lenningen, vereinzelt auch aus dem Laichinger Raum, favorisieren die Abkürzung ins untere Ermstal. Für sie ist das Dettinger Industriegebiet mit großen Arbeitgebern wie Elring-Klinger eine wichtige Adresse. Und nicht wenige fürchten die Staus in Bad Urach.

Doch mit derlei Argumenten kamen die Dettinger bislang nicht weit. Eine Revision der Ermstal-Gemeinde ließen die Gerichte damals nicht zu. Auch für den Landkreis schien das Thema erledigt. Jetzt kocht die Diskussion erneut hoch. Passiert ist, was Dettingens Bürgermeister Michael Hillert seit fast zehn Jahren befürchtet: „Der Albaufstieg ist so marode, dass die Autofahrer dort nicht mehr sicher unterwegs sind.“ Und für eine Sanierung müsste die Gemeinde nun mehr als 18 Millionen Euro aufbringen, was Dettingen alleine nicht leisten kann, beklagt Hillert.

Was nun? Das Landratsamt beruft sich weiterhin auf die bestehende Rechtsprechung. Das Urteil gebe die Zuständigkeiten klar vor: „Die Promillesteige gilt als Gemeindeverbindungsstraße. Straßenbaulastträger ist die Gemeinde Dettingen. Es ist uns daher nicht möglich, uns über das Gerichtsurteil hinwegzusetzen“, teilt der Landkreis auf Anfrage mit. Landrat Dr. Ulrich Fiedler sei es jedoch „ein großes Anliegen, gemeinsam eine Lösung zu finden und den Austausch mit den betroffenen Gemeinden zu suchen“, heißt es weiter.

Im Gespräch sind die Verwaltungschefs Dettingens, Hülbens und Bad Urachs bereits. Eine Einigung zeichnet sich jedoch nicht ab. Aus Gründen der Sicherheit hat Michael Hillert kürzlich die Reißleine gezogen. Seine Verwaltung will die „Promille“ nach der aktuellen Sperrung gar nicht erst wieder öffnen. Diskussion und Beschluss im Dettinger Gemeinderat stehen allerdings noch aus.

Zumindest eine Debatte könnte nun auch im Kreistag in Gang kommen. In besagter Online-Petition des Grabenstetters nehmen jetzt die ersten Reutlinger Kreisräte zum Thema Stellung: Und: Fünf von sechs befürworten eine öffentliche Anhörung im zuständigen Ausschuss des Kreistags – in diesem Fall wäre das wohl der Beirat für technische Fragen und Umweltschutz.

Noch zehn Wochen läuft die Online-Petition. Dann will Jan Bayer die Unterschriften und Kommentare bei Landrat Ulrich Fiedler abgeben.

 

Landratsamt regt neue Verkehrsuntersuchung an

„Auswirkungen der Schließung der Promillesteige könnten im Rahmen einer Verkehrsuntersuchung betrachtet werden“, teilt das Landratsamt in einer Stellungnahme mit. Hier sei vor allem der Quell- und Zielverkehr interessant – und wie sich die Verkehrsströme verlagern. Pauschale Aussagen zur Verlagerung seien nicht möglich, heißt es, wohl mit Blick auf befürchtete Staus in Urach. ch